Einleitung Im Zusammenhang mit dem in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Interesse am Stiftungswesen werden Fragen nach aussagefähigen Daten nun eindringlicher gestellt. Die Tatsache, daß die Zahl der in Deutschland bestehenden Stiftungen nicht beziffert werden kann, stößt in der Öffentlichkeit zunehmend auf Unverständnis. Daß die zehnjährigen Bemühungen, die deutsche Stiftungslandschaft durch regelmäßige Erhebungen vollständig zu erfassen, ohne durchschlagenden Erfolg geblieben sind, ist nicht länger verständlich. Die Tatsache, daß auch in den USA trotz gesetzlicher Verpflichtung zur Veröffentlichung (seit 1969) erst Jahrzehnte später ein lückenloser Überblick gewonnen wurde, ist nur ein schwacher Trost. Es ist daher ein Anliegen, durch Einzeluntersuchungen den Wissensstand kontinuierlich zu verbessern und das Bild zu vervollständigen.
Die Erfassung der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts ist in diesem Zusammenhang noch als relativ einfach zu bezeichnen, da die Behörden, deren Aufsicht diese Stiftungen unterliegen, naturgemäß Verzeichnisse führen und diese in zunehmendem Maße auch veröffentlichen. Ähnliches gilt für die Stiftungen öffentlichen Rechts. Die Kirchen- und Kirchenpfründestiftungen, mit rd. 100.000 bei weitem die größte Gruppe, stellen einen gesonderten Komplex dar, der üblicherweise nicht zur “Stiftungsfamilie” gerechnet wird (und über den besonders wenig bekannt ist). Der öffentlich gehandelte Zahlenvergleich, wonach es vor 1918 rd. 100.000 Stiftungen in Deutschland gegeben habe, beruht wahrscheinlich auf dem Mißverständnis, daß diese Gruppe damals mitgerechnet wurde, heute aber herausgelassen wird. Allerdings war die Frage, ob diese Divergenz nicht auch auf einer sehr großen Zahl nicht rechtsfähiger und bisher nicht erfaßter Stiftungen beruhen könnte, im Rahmen dieser Untersuchung zu prüfen.
Ein besonderes Problem stellen die nicht rechtsfähigen Stiftungen (auch unselbständige, treuhänderische oder fiduziarische Stiftungen genannt) dar. Sie unterliegen nicht der Stiftungsaufsicht, sondern (in der Regel) lediglich der der Finanzbehörden, von wo aus guten Gründen keine Auskünfte über sie zu erhalten sind. Dabei stellen sie unstreitig die älteste Form einer Stiftung dar. Sie als Nebenoder Sonderform oder gar als “falsche” Stiftung zu charakterisieren, kann nur als grundsätzlich falsch bezeichnet werden. Unter dem Namen ‚Trust‘ blühen sie im angelsächsichen Recht bis heute geradezu als Regelform.
In früheren Jahrhunderten stellte die zweckgebundene, mit der Verpflichtung zum Erhalt verbundene Übereignung von Vermögenswerten an die Vaterstadt, die örtliche Kirche oder eine Universität auch in Deutschland die klassische und meistgewählte Form der Stiftungsgründung dar. Dennoch sind in der Datenbank deutscher Stiftungen des Maecenata Instituts nur 229 unselbständige Stiftungen erfaßt, deren Träger kommunale Gebietskörperschaften sind. Es lag daher nahe, eine relativ große Dunkelziffer zu unterstellen und in einer eigenen Untersuchung der Frage nachzugehen, wie viele nicht rechtsfähige Stiftungen heute bei den Städten bestehen und ob die Ergebnisse Schätzungen zur Gesamtzahl der nicht rechtsfähigen Stiftungen zulassen.
Die Ermittlung verläßlicher Zahlen wird wesentlich durch den Umstand erschwert, daß in den vergangenen Jahrzehnten viele Städte im Rahmen von Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung diese Stiftungen im großen Stil zusammengelegt haben. Namensgebungen wie ‚Vereinigte Stiftungen der Stadt …‘ sind ein ebenso klares Indiz hierfür wie die großen, anders nicht erklärbaren Unterschiede zwischen einzelnen Städten (z.B. Köln: 23 / München: 108). Hinzu kommen schwankende Zahlen zu rechtsfähigen Stiftungen in städtischer Verwaltung, die auf unterschiedliche Beratungspraxis hindeuten.
Dennoch lassen sich einige eindeutige Aussagen treffen, die geeignet sind, das Bild vom deutschen Stiftungswesen wieder um eine Facette zu vervollständigen.