Forschung und Vernetzung gegen schrumpfende Handlungsspielräume
Die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft und der Raum für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation im Allgemeinen verändern sich seit einigen Jahren dramatisch. Der gesellschaftliche Bereich zwischen Staat, Wirtschaft und familiärer Privatheit, in dem sich Bürger*innen in freiwilligen, kollektiven Aktionen und Organisationen ohne Gewinnabsichten engagieren, ist vielerorts bedroht und schrumpft (vgl. Shrinking Civic Space, Contested Civic Space). Die Angriffe gehen von verschiedenen staatlichen und nicht-staatlichen Akteur*innen aus und reichen von Rechtseinschränkungen, bürokratischer Gängelung bis hin zu physischer und psychischer Gewalt gegen Aktivist*innen.
Nicht nur in autoritär regierten Ländern, sondern auch in Deutschland nehmen Angriffe und Beschränkungen der Zivilgesellschaft zu. Erst 2023 wurde Deutschland im weltweit vergleichenden Index der bürgerschaftlichen Rechte, dem CIVICUS Monitor zurückgestuft. Demnach ist der zivilgesellschaftliche Raum in Deutschland nicht mehr ‚offen‘ sondern ‚eingeschränkt‘. Der Bericht „People Power Under Attack 2023„ stellt fest, dass die deutsche Regierung die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ihrer Bürger nicht vollständig schützt.
Während in einigen Bereichen die Schlagkraft von Bürgerinitiativen heute größer ist als je zuvor, ist bürgerschaftliches Handeln in anderen Bereichen höchst umstritten. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Regierungen versuchen, nichtstaatliche Akteure aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Auch andere Akteure wie Unternehmen und Medien versuchen, zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume einzuschränken. Dabei verletzen sie zum Teil grundlegende Menschen- und Bürgerrechte.
Viele dieser Einschränkungen geschehen subtil, betroffene Organisationen wissen oft nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Zudem mangelt es an Bewusstsein und Forschung zu diesen Phänomenen. Das Maecenata Institut widmet sich daher nicht nur der Erforschung von Shrinking Civic Space in Deutschland und Europa, sondern auch der Sensibilisierung und Vernetzung relevanter Akteure der rund um das Phänomen.
Vorhaben
Durch die vielfältigen Aktivitäten will das Maecenata Institut einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft und dem Erhalt des bürgerschaftlichen Raumes leisten.
Laufende Projekte
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Radikale Zeiten? Der diskursive Kampf um den zivilgesellschaftlichen Raum der Klimaproteste“ widmet sich das Institut gemeinsam mit einem Forschungskonsortium der sich verschärfenden Debatte und Auseinandersetzung um die Legitimität und Legalität klimaschutzorientierter Proteste. Untersucht wird, ob sich in Deutschland ein sogenannter Shrinking Civic Space durch Politik und Wirtschaft in Bezug auf Klimaproteste entwickelt. Die Ergebnisse werden im Laufe des Jahres 2024 erwartet.
Über die von Maecenata entwickelte European Shrinking Civic Space Plattform finden Organisationen und Aktivist*innen der Zivilgesellschaft, die von Hass, Gängelung oder Rechtsunsicherheiten betroffen sind, Hilfe und können sich vernetzen. Neben der Möglichkeit, Hilfe zu suchen, bietet die Website auch die Möglichkeit, Angriffe zu melden. Damit verfolgt das Maecenata Institut das Ziel, ein Monitoring aufbauen zu können und für besonders gravierende Fälle Öffentlichkeit herzustellen. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen haben vielfältige, oft kostenlose Hilfsangebote oder Ratgeber entwickelt, auf die Betroffene im Ernstfall zurückgreifen können. Aber auch einige staatliche oder kommerzielle Stellen haben sich der Thematik angenommen und stellen Ansprechpartner und Angebote zur Verfügung. Das Projekt vernetzt diese erstmals.
Abgeschlossene Projekte:
Das mehrjährige Forschungs- und Vernetzungsprojekt European Civic Space Observatory (2020-2023) hat einen theoretischen und empirischen Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte über Shrinking-Space Phänomene geleistet. ECSO entwickelte ein Überwachungssystem, das sensibel genug ist, um die Grenzen des Civic Space in europäischen Demokratien zu erfassen und lieferte dazu theoretische Erklärungsansätze. Gemeinsam mit einer Vielzahl an Europäischen Partner*innen wurde dieses diskutiert, angewandt und schließlich Berichte zum Zustand des Civic Space in den jeweiligen Ländern verfasst. Im Rahmen dessen wurde 2022 der Länderbericht Deutschlandbericht: Zur Lage und den Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in Deutschland publiziert.
Darüber hinaus wurden verschiedene digitale und Präsenzveranstaltungen durchgeführt und Netzwerkarbeit geleistet. Im Rahmen der ISTR-Konferenz im Juli 2022 in Montreal konnten Siri Hummel und Rupert Graf Strachwitz die Studienergebnisse präsentierten und mit einem internationalen Fachpublikum diskutieren.