Stiftungen in Körperschaftsform

Opusculum 7 | 15.08.2001 | Eine empirische Studie als Beitrag zur Klärung des Stiftungsbegriffs

1. Einleitung

Die vorliegende Untersuchung verfolgt die Frage, inwieweit Stiftungen in Körperschaftsform eine Ähnlichkeit zu Stiftungen bürgerlichen Rechts aufweisen. Bislang hat das Maecenata Institut in der Erforschung des deutschen Stiftungswesens mit der offenen Definition gearbeitet, daß jede Institution, die qua Recht als Stiftung definiert ist oder sich selbst als Stiftung begreift, als eine solche betrachtet wird. Diese Offenheit führt dazu, daß auch Institutionen als Stiftungen angesehen werden, die der Rechtsform nach bspw. Vereine sind, sofern diese den Namen „Stiftung“ führen.

In einem engeren juristischen Verständnis beschreibt der Begriff Stiftung dagegen die Rechtsform im Sinne der §§ 80 bis 88 BGB. Hier ist die Stiftung bürgerlichen Rechts geregelt. Gesetzlich kaum geregelt ist dagegen die unselbständige Stiftung; in einigen Landesstiftungsgesetzen ist sie geregelt. Erstere ist eine rechtsfähige juristische Person, die letztere nicht. Daneben gibt es noch eine Vielzahl anderer Rechtsformen für Stiftungen, die sich allerdings an der Rechtsfigur der Stiftung bürgerlichen Rechts orientieren: so etwa die rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts, die kirchliche Stiftung des privaten Rechts, die kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts. Die unselbständigen Stiftungen können sich wiederum in privater oder öffentlicher Trägerschaft befinden.

Darüber hinaus gibt es allerdings auch sog. „Ersatzformen“, nämlich die Stiftungen in Körperschaftsform. Dabei handelt es sich um eingetragene Vereine und GmbHs, die den Namen „Stiftung“ tragen. Die Datenbank des Maecenata Instituts weist für das Jahr 2001 115 Stiftungen in der Rechtsform des Vereins und 81 in der Rechtsform der GmbH aus (Sprengel 2001: 13). Die Datenbank des Bundesverbands Deutscher Stiftungen weist 61 Stiftungen GmbHs und 115 Stiftungen in Vereinsform aus (BDV 2001: 22). Die Verbindung von Stiftung und Körperschaft gibt es schon relativ lang. Riehmer (1993: 37) führt als Beispiele die Hamburger Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe (Patriotische Gesellschaft von 1765) e.V. und als GmbH das Institut für Gemeinwohl (als GmbH seit 1896) an.

Der Unterschied zwischen einer rechtsfähigen Stiftung und einer Körperschaft ist schon im römischen Recht angelegt (vgl. Anheier 2001: 40; Strachwitz 2001: 134). Dort findet sich die Unterscheidung zwischen Vermögen mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit (universitas bonorum) und Vermögen, das an eine Körperschaft übergeben wird (universitas personarum).

Es stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, die Stiftungen in Körperschaftsform zu den Stiftungen zuzuzählen. Es könnte weiter führen, einen konturierteren Begriff der Institution Stiftung zu entwickeln und der Forschung zugrunde zu legen. Möglicherweise fielen so aber alle oder einige der Stiftungen in Körperschaftsform aus der Grundgesamtheit der Stiftungen heraus. So entwickelt etwa Helmut K. Anheier einen Katalog von Kriterien, der festlegen soll, was in Europa als Stiftung zu gelten hat (Anheier 2001: 41ff). So stellt er heraus, daß Stiftungen „non membership-based“ Organisationen sind: Dies schließt Vereine und GmbHs aus.1

Hintergrund der folgenden Untersuchung ist, daß man auf dem Wege von qualitativen Fallstudien einen stärker analytischen Zugriff auf den Stiftungssektor entwickeln könnte. Neben einem größeren Detailwissen über Fragen des Sektors kann damit auch schrittweise das Definitionsproblem von „Stiftung“ durchgearbeitet werden: Ist jede Institution, die sich Stiftung nennt, eine solche? Und: ist eine juristische Definition einer Stiftung ausreichend, oder bedarf es nicht einer soziologischen Rekonstruktion des Selbstverständnisses dieser Institutionen?

Vereinen und GmbHs ist als Körperschaften gemeinsam, daß sie Mitglieder bzw. Eigentümer in Form von Gesellschaftern haben. Die Mitglieder und Gesellschafter sind souverän gegenüber der Körperschaft und können bspw. den Zweck ändern oder die Körperschaft auflösen. Eine Stiftung bürgerlichen Rechts hat dagegen keine Mitglieder oder Eigentümer; die Organe haben in Bezug auf den Zweck eine dienende Funktion: Kennzeichnend für die Stiftung bürgerlichen Rechts ist die Vermögens-ZweckBindung. Das BGB definiert nicht die Stiftung bürgerlichen Rechts. Als eine erste Definition einer Stiftung soll hier ein Vorschlag von Strachwitz dienen, der heuristisch den weiteren Gang der Untersuchung anleiten soll:

„Eine Stiftung ist das Ergebnis der Übertragung von Vermögenswerten an eine mit eigener Satzung ausgestattete Organisation, welches so gestaltet ist, daß diese Satzung die Verwalter der Organisation bezüglich der Erhaltung und Verwendung des Vermögens dauerhaft bindet.“

Zentral für eine Stiftung sind also die dauerhafte Bindung an den Erhalt und die Verwendung des Vermögens, die Bindung an den Stifterwillen und, daß die Organe nicht über das Vermögen verfügen. Trifft dies nicht zu, sollte die Institution, so Strachwitz in seiner Schlußfolgerung, an der Führung des Namens gehindert werden, damit kein Mißbrauch mit dem Namen Stiftung im Sinne einer Irreführung der Öffentlichkeit betrieben wird.

Gilt diese Definition auch für Stiftungen in Körperschaftsform? Zunächst gilt: eine 100%ige rechtliche Äquivalenz zur Stiftung bürgerlichen Rechts kann nicht hergestellt werden (vgl. Riehmer 1993). Verein und GmbH sind einfacher zu gründen als eine BGB Stiftung. Es müssen nur die Normativbestimmungen eingehalten werden, eine Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde ist nicht nötig. Die Vermögens-Zweck-Bindung kann prinzipiell über eine besondere interne Verfassung oder durch die Aufsicht durch Dritte sichergestellt werden. Beide Formen sind nur bedingt möglich. Eine staatliche Aufsicht wie bei der Stiftungsaufsicht ist nicht vorgesehen. Erhält eine Stiftungskörperschaft allerdings eine Steuervergünstigung wegen der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, kann durch die Androhung der Sanktion des Entzugs der Steuervergünstigung (auch rückwirkend) eine Bindung an den Zweck gesichert werden. Allerdings wird so nicht unbedingt der ursprüngliche Zweck geschützt. Bei Körperschaften hat die Souveränität der Mitglieder einen besonderen Stellenwert. Es muß zumindest die Möglichkeit eines einstimmigen Satzungsänderungsbeschlusses bestehen. Eine Unveränderlichkeit von Satzung und Zweck können nicht wirksam in der Satzung angeordnet werden. Eine Unauflösbarkeit der Körperschaft kann nicht sichergestellt werden.

Für die Rechtsform der GmbH gilt, daß Regelungsmöglichkeiten bestehen, die sicherstellen, daß die Gesellschafter bei Ausscheiden aus der GmbH keine oder nur geringe Abfindung erhalten. Eine Bestimmung der Unveränderlichkeit der Satzung ist dagegen nicht wirksam. Rein juristisch gesehen, können Körperschaften keine vollwertige Ersatzform der BGB Stiftung sein. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß sich die konkrete Praxis und Institutionalisierung der Stiftungstätigkeit dem Idealtyp der BGB Stiftung annähert.

Auf der einen Seite gibt es nun eine mögliche Definition von Stiftung, die sich als Idealtyp aus der historischen Entwicklung ableiten läßt und die rechtlich kodifiziert in Form der BGB-Stiftung vorliegt. Andererseits gibt es nun andere Rechtsformen und eine gesellschaftliche Entwicklung, die möglicherweise den Stiftungsbegriff fortentwickelt. Man kann nun nicht einfach den Idealtyp als normatives Ideal zugrunde legen, sondern sollte den sozialen Wandel und die Fortschreibung des Stiftungsbegriffs erst einmal aufgreifen und Ernst nehmen. Beide Seiten beeinflussen sich und führen zu Wechselwirkungen.

Die Frage sollte also nicht im direkten Zugriff lauten: ‚was ist eine Stiftung?‘, sondern – soziologisch gewendet – geht es um eine Untersuchung über die soziale Konstruktion der Institution Stiftung. Wer definiert wie und aus welchen Gründen „Stiftung“?

Wollen Stiftungen in Körperschaftsform etwas anderes sein als Stiftungen bürgerlichen Rechts? Oder sind sie allein faktisch in ihrer Tätigkeit etwas anderes? Oder streben sie an, eine „normale“ Stiftung zu sein und haben nur aus pragmatischen Gründen diese Rechtsform gewählt?

1. Allerdings fallen mit dieser Definition alle britischen Trusts aus der Kategorie der Stiftungen heraus, da diese ja „owner-based“ sind.