Kooperationen und die Intention zum Wir. Ansätze einer kooperativ-intentionalen Handlungstheorie

Opusculum 64 | 15.09.2013 |

Kooperationen sind in der Gesellschaft allgegenwärtig. Der Begriff Kooperation hat Konjunktur. Aber nicht nur der Begriff als Schlagwort, sondern auch das Kooperieren selbst steht im Vordergrund. Aktuell werden viele wirtschaftliche und soziale Kooperationen gegründet. Gerade erst erschien ein Zeit online-Artikel des Kulturwissenschaftlers Claus Leggewie1 , der sich mit dem Thema einer ‚Kultur der Kooperation‘ beschäftigt.2 Dort heißt es, dass Kooperationen als Untersuchungsgegenstand überwiegend in kleinen Gruppen, die gemeinsame Ziele erreichen wollen, beleuchtet werden und dabei eine Nutzengemeinschaft und ein gemeinsamer Kulturhintergrund unterstellt wird. Es gibt jedoch keine Studien dazu, schreibt Leggewie, „[…] wie Kooperation in größeren Gruppen, in internationalen Großorganisationen oder gar zwischen Gesellschaften funktioniert, die kulturell auf die eine oder andere Weise verschieden sind.“3 Hinzuzufügen ist, dass Untersuchungen trotz einer Fülle an Publikationen zu Kooperationen und zum Kooperieren im Allgemeinen noch am Anfang stehen. Nähert man sich dem Thema Kooperation, wird sichtbar, dass alle und jedes miteinander kooperiert: Die Wirtschaft mit dem Kindergarten, Pflanzen mit Tieren, Universitäten mit Stiftungen und wiederum anderen Universitäten, Ehrenamtliche mit Hauptamtlichen, zwei Personen in Mentoring-Beziehungen, viele Menschen miteinander – oder dann doch eher gegeneinander?

Wie agieren Menschen gemeinsam? Ist gemeinsames Handeln, wie immer jeweils gestaltet, bereits ein kooperierendes Handeln oder eine Kooperation? Dass gemeinsames Handeln nicht gleich Kooperation sein muss, werde ich diskutieren. Darüber hinaus widme ich mich der Fragestellung nach dem Handeln in Kooperationen. Wann ist ein Handeln kooperativ? Braucht kooperatives Handeln ein Gegenüber, welches ebenfalls kooperativ agiert? Warum ist der Mensch manchmal kooperativ oder vielleicht nur bedingt kooperativ oder gar nicht kooperativ? Gibt es verschiedene Handlungs- oder Intentionstypen in Kooperationen?

Kooperieren scheint eine schwierige, in jedem Fall komplexe, Angelegenheit zu sein. Menschen agieren aus unterschiedlichsten Zusammenhängen kommend mehr oder weniger gemeinsam. Jede Akteurs-Person gibt, jeweils aus dem eigenen Erfahrungshintergrund kommend, je nach Haltung, dem was sie wahrnimmt eine eigene Bedeutung und Interpretation. Und im Rahmen von Sozialität und Kommunikation soll dieses „Spiel“ wieder zu etwas Gemeinsamen führen. Denn das gibt der Begriff scheinbar vor – cooperare: zusammen/ gemeinsam wirken. Wenn bei dem Gemeinsamen einmal angesetzt wird, so führt eine nähere Betrachtung dazu, dass es sich beim Kooperieren nicht um irgendein wahlloses, zufälliges Gemeinsames handelt. Die einzelnen Akteurs-Personen wollen durch Kooperationen etwas erreichen oder verändern. Es liegt eine Absicht hinter dem gemeinsamen Handeln. Mehrere Ichs finden sich zu einem Wir zusammen. Dies kann aber nur dadurch geschehen, dass Aufmerksamkeit geteilt wird – wie sonst sollten sich verschiedene Ichs zu einem Wir oder zu etwas Gemeinsamen finden. Wird der Fokus noch schärfer auf das Individuum gerichtet, so fällt auf, dass neben der Fähigkeit, dass es Aufmerksamkeit teilen, vielleicht sich sogar empathisch in das oder die Gegenüber einfühlen kann, noch etwas anderes wesentlich ist: Die Intention, sowie die Haltung des Menschen. Die Intention eröffnet oder verschließt die Möglichkeit zu einer Kooperation überhaupt erst und beeinflusst maßgeblich den Charakter der Kooperation. Akteurs-Personen, die in einer Kooperation ihren eigenen Nutzen voranbringen wollen, werden eine andere Form der Kooperation führen, als eine Kooperation, die ein gemeinsames Ziel verfolgt und umsetzt. Dieser personenbezogene Fokus führt dahin, beleuchtet man das Denken und Handeln des Ichs genauer, dass das Ich eine Haltung zum kooperierenden Denken und Handeln entwickelt, die sogar unabhängig von der Haltung und/ oder der Handlung anderer Ichs das Handeln der Einzelnen beeinflusst. Da es unterschiedliche Menschen, verschiedenste Erfahrungen und Zusammenhänge gibt, ist es naheliegend anzunehmen, dass es hier verschiedene Handlungsmöglichkeiten gibt, die sich jedoch in drei verschiedene Kategorien unterteilen lassen.

1. Eine Kooperation wird abgelehnt.
2. Es wird kooperiert, aber jede Person verfolgt ausschließlich ihren eigenen Nutzen im gemeinschaftlichen Handeln.
3. Es wird kooperiert, die gemeinschaftliche Intention steht im Vordergrund.

Daraus können verschiedene Kooperations-Intentionstypen abgeleitet werden, die zu unterschiedlichen Kooperationsformen führen. Die erste Kategorie wird im Folgenden nicht weiter beleuchtet. Bei der Analyse der dritten Kategorie, ist festzustellen, dass in einem Wir etwas Besonderes geschieht – durch das gemeinsame Handeln entsteht erst die gemeinsame Intention, die Wir-Intention. Bei der allgemeinen Beschäftigung mit Kooperationen oder kooperativem Verhalten werden diese Ebenen meist nicht mitgedacht. Zu beobachten ist ferner, dass der Wille zur Kooperation und auch der Wille zum Wir zu wachsen scheint.

1 Claus Leggewie ist Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) und Co-Direktor des Käte Hamburger Kollegs ‚Politische Kulturen der Weltgesellschaft.‘
2 Leggewie (2010), http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-03/politik-kooperation-kultur/ komplettansicht [Zugriff: 08.06.2012]
3 Ebd.