Der Auftritt der Zivilgesellschaft im transdisziplinären Trialog zur Energiewende

Opusculum 65 | 30.09.2013 |

Im Zusammenhang mit großen öffentlichen Vorhaben, die weitreichende politische Steuerungen voraussetzen, ist Partizipation zu einer der entscheidenden Gelingensbedingungen geworden. Alle empirischen Erfahrungen der letzten Jahre belegen, daß solche Vorhaben ohne funktionierende partizipative Mechanismen fast undurchführbar sind oder zumindest das Verfahren sehr viel weiter verlängern, als dies bei einem frühzeitig organisierten Partizipationsprozeß der Fall wäre. Hinzu tritt das entscheidende demokratietheoretische Argument, das einer offenen und möglichst viele Betroffene, Interessierte und Sachkundige einbeziehenden Phase der politischen Deliberation eindeutig den Vorzug vor konventionellen Entscheidungsvorbereitungen hinter verschlossenen Türen den Vorzug gibt. Auch erscheint die Berücksichtigung alternativer Gesichtspunkte und Interessen als der der Bauherren, Parlamentarier oder Verwaltungen zur Wahrung des sozialen Friedens unabdingbar. Schließlich kann angesichts der Komplexität der Themen auf die Kompetenz von Experten und Organisationen möglichst vielfältiger Provenienz nicht mehr verzichtet werden. Offene dialogische Verfahren haben sich als besonders geeignet erwiesen, die Vielfalt der Ansätze über moderierte Prozesse miteinander zu verknüpfen und womöglich konsensuale Ergebnisse oder zumindest Verständnis für andere Positionen als die eigene herbeizuführen.1

Wie solche partizipative Prozesse erfolgsversprechend zu organisieren sind, gibt es unterschiedliche Modelle und relativ wenig Erfahrungen. In der Durchführung kommt freilich nach weithin herrschender Meinung der organisierten Zivilgesellschaft besondere Bedeutung zu, die freilich konzeptionell neu zu entwickeln ist, zumal sich traditionelle Beteiligungsverfahren von Verbänden oder Bürgern nicht nur wegen des späten Zeitpunkts des Einbezugs in das Verfahren als relativ untauglich erwiesen haben.

In dem an der Humboldt Viadrina School of Governance von Prof. Dr. Gesine Schwan geleiteten sogenannten Trialog zur Energiewende ist experimentell der Einbezug der organisierten Zivilgesellschaft von Anfang an und auf gleicher Augenhöhe erprobt worden. Dieser Ansatz stellte die Organisatoren vor besondere Herausforderungen. Zum einen setzt sich die Zivilgesellschaft aus großen, schon von jeher an politischen Deliberationsprozessen aller Art beteiligten Akteuren ebenso zusammen wie aus spezialisierten, thematisch orientierten Gruppen und relativ unorganisierten Bewegungen. Zum zweiten ist die Zivilgesellschaft insgesamt aus ihrer Handlungslogik heraus nicht repräsentativ verfaßt. Die Auswahl der Gesprächspartner mußte daher durch die Organisatoren erfolgen, die damit auch die Verantwortung für diese Auswahl übernehmen mußten. Zum dritten war es der Natur des hier durchzuführenden Prozesses geschuldet, daß es hier nicht um die Einbeziehung einer Zivilgesellschaft im Sinne der Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger, sondern vielmehr „nur“ um die Beteiligung von in sich durchaus verfaßten zivilgesellschaftlichen Organisationen gehen konnte.2 Damit wurde bewußt Kompetenz über Betroffenheit und Breite der Meinungen gestellt.

Neuartigkeit und Besonderheiten legten nahe, diese Erprobung im Wege der teilnehmenden Beobachtung wissenschaftlich zu begleiten. Es galt, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich die Akteure der Zivilgesellschaft (von „Vertretern“ der Zivilgesellschaft zu sprechen, ist zumindest mißverständlich) in einen solchen strukturierten Prozeß einbringen, wie sie von anderen Teilnehmern aufgenommen werden und wie sie ihre Mitwirkung selbst beurteilen. Auf diese Fragen versucht die hier vorgelegte Studie, erste Antworten zu finden. Sie wurde im Zeitraum von November 2012 bis Juli 2013 erstellt. Der knappe Zeitrahmen und die Beschränkungen des möglichen Untersuchungsrahmens setzen naturgemäß den erzielbaren Ergebnissen Grenzen. Zweifellos besteht erheblicher weiterer Forschungsbedarf sowohl zu den Prozessen selbst als auch zum Auswahlverfahren und zu anderen kritischen Aspekten. Dennoch hat, wie wir meinen, die Analyse des hier im Rahmen des Projekts ‚Energiewende’ erprobten partizipativen Ansatzes wertvolle Hinweise für dessen Weiterentwicklung und Übertragung erbracht und Indizien für seine Überlegenheit gegenüber anderen Verfahren der Entscheidungsvorbereitung und politischen Sensibilisierung für weitreichende Steuerungsnotwendigkeiten geliefert. Die Formulierung und Umsetzung einer neu konzipierten Partizipationspolitik unter Einbezug der Zivilgesellschaft kann im Ergebnis der Untersuchung als weiterführend und machbar bezeichnet werden.

Die Untersuchung wurde im Wesentlichen von meiner Kollegin Elgen Sauerborn M.A. durchgeführt. Ihr gebührt für das gezeitigte Ergebnis herzlicher Dank. Der Humboldt Viadrina School of Governance danke ich besonders für die Gelegenheit, dieses aktuelle Thema so praxisnah bearbeiten zu können.

Berlin, im August 2013

Dr. Rupert Graf Strachwitz
Direktor des Maecenata Instituts

1. S. hierzu: Steven Johnson, Wo gute Ideen herkommen. Eine kurze Geschichte der Innovation. Bad Vilbel 2013 (engl. Where Good Ideas Come From. New York/London 2010)
2. Zur Unterscheidung siehe: Christopher Gohl, Prozedurale Politik am Beispiel organisierter Dialoge. Berlin 2011

Elgen Sauerborn

studierte Soziologie und Komparatistik an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg und an der AGH University of Science and Technology in Krakau. Zurzeit beendet sie ein weiteres, forschungsorientiertes Masterstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin und promoviert an der Freien Universität Berlin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Hilfskraft im Maecenata Institut.
kommunikation@maecenata.eu

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