TG Schlaglicht: Museen im Mai

20.05.2024 | Wo die Muse küsst

Die alten Griechen verstanden unter Museen die Heiligtümer der Musen, der Göttinnen von Kunst und Wissenschaft. Auch heute spricht man oft noch vom Musentempel, was die nahezu mythologische Bedeutung dieser beachtlichen Kulturstätten unterstreicht. Und in der Tat sind Museen besondere Orte:  Denn für kaum einen anderen Ort ist die Erhaltung und Konservierung von Kulturgütern, wertvollen Objekten, von Menschheitsgeschichte, so ein Selbstverständnis – gar ein Daseinsprädikat. Die Bedeutung von Museen auf das bloße Aufbewahren zu beschränken, griffe jedoch zu kurz. Die Schlaglichter des Maies setzen an, sie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, gerade auch da am 19. Mai der internationale Museumstag zelebriert wird, der die Vielfalt von Museen sichtbar machen soll.  

Wie betrachten Museen sich selbst? Zum Auftakt sei die Definition des Internationalen Museumrates (ICOM) angeführt:

Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch.“

Viele Museen sind darum bemüht zugänglicher und barrierefreier zu werden.

Das unterstreicht den Selbstanspruch, den Museen heute haben, denn: So vielfältig Museen sind, so ist auch die Bedeutung und Erwartung, mit denen ihnen die Menschen begegnen. Und der Aspekt der öffentlichen, für alle gleichen Zugänglichkeit ist dabei wichtiger denn je. Mit diesen Themen befasst sich auch Hanna Woodhead, Programmleitung und Kuratorin der Jacobs Foundation. In einer Veröffentlichung für Philea, dem europäische Netzwerk für Philanthropie, setzt sie sich mit der Rolle von Museen auseinander. Auch sie argumentiert, dass für Museen, als Zentren für Bildung und Freizeit, die Aspekte Zugänglichkeit, aber auch Nachhaltigkeit sowie eine umfassende Einordnung der Exponate in soziale und geschichtliche Kontexte wesentlich sind.

Um eben diese Zugänglichkeit, doch vor allem auch die Sichtbarmachung von Künstlerinnen geht es der Organisation AWARE (Archives of Women Artists) [1] aus dem Transnational Giving Programm. Die französische Organisation (Spendenlink) hat sich der Mission verschrieben, die Geschichte der Kunst auf gleichberechtigter Augenhöhe neu zu schreiben. Dafür kooperieren sie mit Museen, Universitäten und Kunsthistoriker:innen, um die Werke von Frauen in der Kunst ebenso sichtbar zu machen, wie die ihrer männlichen Pendants.

Was ist nötig, um Kunst gleichberechtigt im Licht der Öffentlichkeit abzubilden?

Ein wesentlicher Aspekt ist für die Organisation auch, die Zugänglichkeit zu qualitativ-hochwertig aufbereiteten Informationen über die Kunst zu erhöhen. Dafür veröffentlichen und kommentieren sie auf ihrer Website die Arbeiten von Künstlerinnen aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert in englischer und französischer Sprache; und all das frei zugänglich. Auch bieten sie kunstgeschichtliche Themenkurse an, publizieren Podcasts sowie animierte Serien für Kinder.

Doch selbstverständlich geht der Anspruch der Organisation darüber hinaus, ausschließlich digitale Ressourcen zu schaffen. So wirkt AWARE an diversen Ausstellungen und Biennalen weltweit mit und koordiniert das Netzwerk AMIS (AWARE Museum Initiative and Support). Die Vernetzung von Museen auf der ganzen Welt dient dazu, Forschungen und Sammlungen zu Künstlerinnen zu verbinden, um Synergieeffekte im Sinne der Kulturgestaltenden zu erzielen.

Der potenzielle Interessenskonflikt darüber, welche Ansprüche an das Ausstellen im Museum bestehen, bietet ebensolches streitbares Material, wie das Verständnis der Kunst, die oft Gegenstand der Ausstellungen ist. Aúf der einen Seite vertreten konservative Museumsfachleute einen konventionell-klassischen Anspruch an die Museumspädagogik, in der die Exponate ohne weitere Erläuterungen aus sich selbst sprechen sollen. Dem gegenüber stehen Bemühungen und Entwicklungen, welche darauf abzielen, der Einzigartigkeit und Vielfalt der Besuchenden gerechter zu werden und, so zum Beispiel mit Impulsen aus der Corona-Pandemie, die Museumskunst auch digital zugänglicher zu machen.

Doch liegen die besagten Interessengruppen tatsächlich so weit auseinander? Kann, will und muss ein Museum allen Anspruchsgruppen gerecht werden? Zugänglichkeit, da scheinen sich Expertinnen und Experten einig, ist wichtig, ebenso wie Sichtbarkeit. Es ließe sich darüber hinaus, angelehnt auch an die Definition des Museumsrates, behaupten, dass die teils unterschiedlichen Ansprüche sich nicht notwendigerweise widersprechen. Denn die Muse küsst schließlich nicht jede:n gleich, und doch oft am gleichen Orte – der zivilgesellschaftlichen Begegnungsstätte Museum.

 

[1] Die Organisation wurde für dieses Schlaglicht zufällig gewählt.

Robin H. Ingold

Studentischer Mitarbeiter
ri@maecenata.eu

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