Demonstrationsfreiheit in der Schweiz – Ein Präzedenzfall für den Shrinking Civic Space?

Opusculum 184 | 19.01.2024 | Laura Pfirter | Neuer Bericht zeigt Handlungsbedarf in der Schweiz auf

Zusammenfassung

Seit Jahren nimmt der Druck auf die Menschenrechte weltweit zu und mit ihm die Debatte um Shrinking-Civic-Space-Phänomene. Immer mehr Studien weisen nach, wie sich durch Grundrechtsbeschränkungen und weitere Entwicklungen der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft vielerorts zuzieht. Im Gegensatz zu Deutschland, steckt der Diskurs diesbezüglich in der Schweiz jedoch noch in den Kinderschuhen. Erst in jüngster Zeit nehmen Diskurse zu einschränkenden Praktiken zu. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei Beschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Vor diesem Hintergrund hat sich die vorliegende Studie dem Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft in der Schweiz in Bezug auf die Veranstaltung von und Teilnahme an Demonstrationen und seiner Veränderung im letzten Jahrzehnt gewidmet. Konkret wurden mittels Desktop Research die gültigen Rechtsgrundlagen, die Befugnisse und Praktiken von Behörden, die Rechtsprechung sowie der Diskurs rund um Demonstrationsgeschehen in der Schweiz als zentrale Indikatoren des Shrinking Civic Space untersucht und die Ergebnisse in drei Experteninterviews kontextualisiert.

Die Studie förderte vielfältige Beschränkungen auf mehreren Ebenen und mit großen regionalen Unterschieden zu Tage. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehören: 1) Restriktive und verschärfte Gesetzesgrundlagen finden sich in vielen relevanten Bereichen; 2) Diverse Verschärfungen in der Bewilligungspraxis ergaben sich durch restriktives Verwaltungshandeln sowie erhöhte Bewilligungsauflagen und -gebühren; 3) Verbote schienen aufgrund von Sicherheitsbedenken zuzunehmen. Auch Auflösungen waren häufig und betrafen besonders unbewilligte, spontane und Gegendemonstrationen; 4) Einschüchterung und Gewaltanwendung gegen Teilnehmende und Veranstaltende von Demonstrationen schienen sich ebenfalls zu häufen; 5) Im Rahmen eines polarisierten öffentlichen Diskurses und einer ungenügend ausgewogenen Berichterstattung nehmen schließlich Fälle der Kriminalisierung und Stigmatisierung zu.

Die Untersuchung erfasste diverse Praktiken und Regulierungen, welche einen durch Gerichte und Rechtspexert:innen mehrfach bestätigten grundrechtswidrigen Abschreckungs- bzw. Einschüchterungseffekt (sog. Chilling-Effekt) auf das Recht friedlich zu Demonstrieren zu bewirken vermögen. Auf Basis der Ergebnisse ist in der Schweiz von einem für Demonstrationen zunehmend umkämpften Handlungsspielraum (sog. Contested Civic Space) zu sprechen. Widerstand und eine kritische Öffentlichkeit diesbezüglich bilden sich nur langsam, wären neben weiteren Studien und Daten zu Beschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit aber dringend nötig. Mit diesen und weiteren Forderungen schließt der Bericht.

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Laura Pfirter

Laura Pfirter

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
lp@maecenata.eu

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