Der andauernde Konflikt zwischen dem abolitionistischen und anti-abolitionistischen Lager der transnationalen Aktivist:innengruppen, die sich für Betroffenen von Menschenhandel einsetzen, wurde bisher vorrangig aus normativer Perspektive erklärt. Normative wie auch polit-ökonomische akademische Ansätze beschreiben die Rolle der Geldgeber im transnationalen Aktivismus als homogene Gruppe von Spendern für oder Käufern von NGOs. Neuere Ansätze weiten dieses Verständnis jedoch aus und argumentieren, dass Geber im transnationalen Aktivismus mit einer eigenen normativen Agenda agieren können. Daher plausibilisiert die vorliegende Arbeit anhand neuer Daten, dass die Geldgeber der Koalitionen als ein wichtiger Faktor für die Tiefe und Beständigkeit des Konflikts nicht zurückgewiesen werden kann.
1) Die Analyse ergab, dass in den beiden Gruppen Geldgeber:innen vorkommen, die eine Positionierung im Konflikt in ihrer Agenda einnehmen. Außerdem zeigen sich sehr wenige Ambivalenzen in den Positionen der Geldgeber:innen, die überwiegend eine einschlägige Position linear zur Haltung der Koalition, die sie unterstützen, vertreten.
2) Die Geldgeber:innen der beiden Mitglieder der Koalitionen vertreten im Konflikt um den Zusammenhang von Menschenhandel und Prostitution eine eigene Position und spalten sich trennungsscharf in zwei ideologische Lager. Dementsprechend zeigte sich, dass die Finanzierungsstrukturen, also spezifisch die Beziehungen zwischen den Geldgeber:innen und den jeweiligen Koalitionen als Einflussfaktor auf den Inter-NGO-Konflikt nicht zurückzuweisen sind.
3) Die vorliegende Arbeit reiht sich in die Annahmen aktueller Forschungen zu den Beziehungen zwischen Geldgeber:innen und NGOs ein, die Geldgeber:innen nicht als homogene Gruppe von Spender:innen für oder Käufer:innen von NGO’s begreifen, sondern ihre komplexe Rolle in TANs untersuchen. Die Geldgeber:innen der Koalitionen präsentieren sich als Akteur:innen, die nicht schlicht ihr Geld zwischen NGOs aufteilen, um deren transnationalen Aktivismus zu unterstützen. Die Agenda der Geldgeber:innen legt vielmehr nahe, dass sie selbst in ihrer Agenda von normativen Motiven geleitet sind und sich dementsprechend einbringen.
Michelle Greiner studierte Politikwissenschaften mit Nebenfach Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt mit einem einjährigen Aufenthalt an der Sciences Po Grenoble. In ihrem bisherigen Studium beschäftigte sie sich vertieft mit feministischen Perspektiven in nationalem und transnationalem Aktivismus. Seit Juli 2022 arbeitet Michelle Greiner als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Internationale Institutionen und Friedensprozesse der Goethe-Universität Frankfurt im DFG-geförderten Forschungsprojekt „Offene oder geschlossene internationale Organisationen? Reaktionen auf Betroffenenkontestation“. Im Rahmen dieser Tätigkeit ist sie auf die Akteurskonstellation im Politikfeld Menschenhandel aufmerksam geworden und hat aus diesem Interesse heraus die hier präsentierte Bachelorarbeit entwickelt. Nach Abschluss ihres Bachelorstudiums absolviert Michelle Greiner zurzeit das intensive einjährige Arabischsprachprogramm am Département d’Enseignement de l’Arabe Contemporain in Kairo.