Berlin, 31. März 2021
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Am 26. März, hat der Bundesrat den Regierungsentwurf zur „Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ widerstandslos durchgewunken, obwohl die Länder dadurch in mehrfacher Hinsicht Kompetenzen an den Bund verlieren. Alle scheinen sich inzwischen damit abgefunden zu haben. Ein Gesetzentwurf, der vor allem Ausdruck von Kontrollwahn ist und den Stiftungen bürgerlichen Rechts erheblich mehr Bürokratie bescheren wird, nimmt jetzt seinen Lauf durch den Bundestag. Der Fahrplan sieht wohl etwa wie folgt aus:
Es soll jetzt also unbedingt ganz schnell gehen. Alle Bitten um Verschiebung und gründliche Neubefassung blieben unerhört. Die Berichterstatter in den Koalitionsfraktionen sind offenkundig nicht bereit, sich für dieses Thema aus dem Fenster zu lehnen – und andere Abgeordnete sowieso nicht. FDP und Grüne werden wohl etwas versuchen, aber der Erfolg ist vorhersehbar.
Gegenüber dem viel kritisierten Referentenentwurf bringt der Regierungsentwurf kaum Verbesserungen. Er ist nach wie vor, wie fachkundige Kommentatoren anmerkten, „handwerklich mangelhaft“, „rückwärtsgewandt“ und „verfassungswidrig“. Die Folge wird eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten sein, die sich über Jahre hinziehen werden. Das Thema Transparenz ist nach wie vor sehr unbefriedigend gelöst, das Thema Demokratie- und Zivilgesellschaftskompatibilität überhaupt nicht. Die Reaktion der Wissenschaft (Juristen ebenso wie Politikwissenschaftler) ist dementsprechend nach wie vor extrem kritisch, ebenso die wichtiger Stakeholder (bspw. des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands). Nur der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit einigen dort angedockten Juristen ist verhalten positiv und will unbedingt, daß der Entwurf jetzt durchgeht. Dies ist sehr zu bedauern, weil die Befürworter im BMJV dann immer sagen können, „die Stiftungen“ seien doch dafür gewesen.
Für alle Stiftungen bürgerlichen Rechts (die anderen sind nicht betroffen) hat die Neuregelung erhebliche Folgewirkungen. Wie diese im einzelnen aussehen werden, ist an vielen Stellen noch völlig unklar. Sicher ist: mehr Kontrolle, mehr Einschränkungen. Wahrscheinlich ist: Die Satzungen von 22.000 bestehenden Stiftungen müssen geändert werden.
Die Debatten, die tatsächlich zum Stiftungswesen in einer modernen Gesellschaft geführt werden, wurden in dem allein von Aufsichtsbehörden und dem BMJV gesteuerten Prozeß nicht auch nur ansatzweise aufgegriffen. Die Debatten um Legitimität, Einfluß, Transparenz usw. werden also weitergehen. In jedem Fall wird sich das Stiftungswesen erheblich verändern. Es wird mehrehr Treuhandstiftungen geben und viel mehr sonstige Alternativen, die in den letzten Jahren schon entwickelt worden sind.
Interessanterweise arbeitet das BMJV zur Zeit auch an einem neuen Gesellschaftsmodell, der Gesellschaft mbH mit Vermögensbindung, sowie an der Verbesserung des Rechtsrahmens für Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR). Dies deutet darauf hin, daß hinter den Einschränkungen für Stiftungen bürgerlichen Rechts Vorsatz und Methode steckt. Man will andere Formen, auch solche zur Verwirklichung persönlicher Philanthropie, zu Lasten der Stiftung attraktiver machen. Darüber könnte man ja diskutieren, aber nur dann, wenn der Staat die Karten auf den Tisch legt!
Letztlich gehört der ganze Vorgang zum Thema Shrinking Civic Space. Ohne Not wird eine Form des bürgerschaftlichen Engagements durch staatliche Maßnahmen so eingeschränkt, daß sie unattraktiv wird. Der Trost heißt: Zivilgesellschaft ist kreativ und findig und wird sich neue Ausdrucksformen suchen!