Kulturstiftungen im Wandel? Konsequenzen für die Förderung von Kunst und Kultur in Deutschland

Opusculum 93 | 01.08.2016 | Kulturstiftungen im Wandel? Konsequenzen für die Förderung von Kunst und Kultur in Deutschland

Einleitung

Problemstellung und Relevanz des Themas

Stiftungen „waren eigentlich immer mehr oder weniger eine Randerscheinung, bevor sie jetzt, im 21. Jahrhundert, zu wichtigen Akteuren der Zivilgesellschaft geworden sind“ (Strachwitz 2014, S.58). So beschreibt der Stiftungsexperte Rupert Graf Strachwitz den Wandel der Bedeutung und des Selbstverständnisses von Stiftungen in Deutschland. Vor allem seit Ende der 1990er Jahre haben Stiftungen, als Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements, verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Zudem haben Vereinfachungen beim Stiftungsrecht und steuerliche Erleichterungen im Zuge diverser Reformen, besondere Anreize für die Gründung von Stiftungen geschaffen und zu einem rapiden Wachstum des Stiftungssektors beigetragen. Auch die Zahl der Stiftungen, die Kultur als Zweck in ihrer Satzung benennen, ist stark gestiegen. Im Kulturbereich wird Stiftungen – vor allem in Bezug auf die Finanzierung kultureller Vorhaben und Einrichtungen – vermehrt große Bedeutung beigemessen. Im Hinblick auf die immer knapper werdenden öffentlichen Mittel für die Kulturförderung, wird in den letzten Jahren häufig diskutiert, inwiefern kunst- und kulturengagierte Stiftungen diese finanzielle Lücke für die eigentlich vom Staat getragenen Aufgaben der kulturellen Grundversorgung[1] schließen können (vgl. Mercker; Peters 2005, S. 180 und Mecking 2008, S. 3). Währenddessen haben die 2008 ausgelöste Finanzkrise und die andauernde Niedrigzinsphase dazu geführt, dass viele Stiftungen nur noch geringe Erträge aus ihrem angelegten Stiftungsvermögen erwirtschaften. Dieser Renditeverfall wirkt sich vor allem auf die Aktivitäten kleinerer Stiftungen aus. Zeitgleich treten jedoch einige Stiftungen immer selbstbewusster als zivilgesellschaftliche Akteur*innen in Erscheinung. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, inwiefern sich das Förderverhalten von Stiftungen wandelt und welche Funktionen Stiftungen in der Zivilgesellschaft einnehmen können.

Welche Rolle spielen Stiftungen in der Kulturförderung und wie hat sich diese verändert? Wie sehen die aktuellen Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Hinblick auf Stiftungen allgemein, sowie auf kunst- und kulturengagierte Stiftungen im Speziellen, aus und welche Ursachen liegen diesen zugrunde? Inwiefern hat sich das Selbstverständnis von Kulturstiftungen und damit ihre Arbeitsweise und ihr Förderverhalten verändert? Welche Funktionen können Kulturstiftungen in der Zivilgesellschaft einnehmen? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, der Frage nachzugehen, inwieweit sich Kulturstiftungen im Wandel befinden und welche möglichen Konsequenzen und Perspektiven sich daraus für die Kulturförderung in Deutschland, d.h. zum einen für die Künstler*innen, Projektinitiator*innen sowie Kultureinrichtungen, zum anderen für die öffentlichen und privaten Förder*innen ableiten lassen.

Primärer Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind die privaten Kulturstiftungen. Dennoch werden auch Stiftungen der öffentlichen Hand, die zur mittelbar-öffentlichen Kulturförderung zählen und entsprechend anderen Rahmenbedingungen unterliegen, aufgrund ihrer bedeutenden Rolle für kulturelle Einrichtungen und Vorhaben betrachtet.

[1]     Zum Begriff kulturelle Grundversorgung siehe Deutscher Bundestag 2007, S. 84.