Chinas philanthropischer Sektor auf dem Weg zu mehr Transparenz

Opusculum 58 | 1.10.2012 | Dieser Artikel gibt eine Übersicht über das Stiftungswesen in China im Jahr 2012 unter besonderer Würdigung der Selbstregulierungsinitiativen des Sektors. 

Die erste chinesische Stiftung der Volksrepublik China wurde 1981 gegründet. Ende der 80er Jahre wuchs die Zahl der Stiftungen auf 140, Ende der 90er waren bereits 386 Stiftungen registriert. Im September 2012 sind in China 1276 öffentliche (public) und1468 private (nonpublic) Stiftungen1 registriert, wobei letztere Kategorie schneller wächst. Stiftungen betätigen sich heute nicht mehr nur auf klassischen Aufgabenfeldern, wie Bildung und Erbringung oder Finanzierung sozialer Dienstleistungen, sie decken die gesamte Bandbreite der Stiftungszwecke entsprechend der neuen sozialen Erfordernisse der chinesischen Gesellschaft ab, wobei allerdings der Schwerpunkt noch auf den klassischen sozialen Serviceleistungen liegt.

Chinas Stiftungslandschaft ist sowohl im Auf- als auch im Umbruch. Jung an Jahren im Vergleich zur jahrhundertealten Tradition von Stiftungen in Europa entwickelt sich der Sektor rasant, aber gleichzeitig auch unübersichtlich. Gründe dafür sind der noch unzureichende rechtliche Rahmen, der die Entwicklung eines homogenen Sektors nicht genügend fördert, aber auch die verschiedenen Interessenlagen der gemeinnützigen mehr oder minder regierungsnahen Organisationen, die sich auf dem philanthropischen Markt im Wettbewerb mit dem neu entstehenden eher unabhängigen privaten Stiftungssektor befinden. Die gesunde Entwicklung des Sektors wird durch Skandale der Jahre 2008 bis 2011 empfindlich gestört; die Bürgerinnen und Bürger reagieren mit Misstrauen und abnehmender Spendenbereitschaft. Eine Trendwende ist nur zu erreichen, wenn sich die Stiftungen generell der Gesellschaft öffnen. Mehr Transparenz ist zwar kein Allheilmittel gegen den ebenfalls beklagten Mangel an Professionalität der Stiftungen, aber die Grundvoraussetzung dafür, dass deren Arbeit sichtbar ist und bewertet werden kann. Eine Gruppe chinesischer Stiftungen hat als Selbstregulierungsinstitution das Chinesische Stifungscenter (CFC) ins Leben gerufen, das als Hauptprodukt seiner Arbeit einen Stiftungstransparenzindex entwickelt und im Sommer 2012 der chinesischen Öffentlichkeit vorgestellt hat, der nach Meinung der Initiatoren die Glaubwürdigkeit des Sektors in den nächsten Jahren deutlich verbessern könnte. Ebenfalls unternimmt die Regierung unter dem Druck der Öffentlichkeit und aus zunehmender Einsicht des hohen Wertes eines funktionierenden philanthropischen Sektors eigene Schritte zur Schaffung besserer Rahmenbedingungen für die Stiftungen, aber auch zur Erhöhung deren Transparenz und Glaubwürdigkeit. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über das Stiftungswesen in China im Jahr 2012 unter besonderer Würdigung der Selbstregulierungsinitiativen des Sektors.

1 www.foundationcenter.org.cn

Dorit Lehrack

studierte Physik in Leipzig. Seit 1990 ist sie im Aufbau und im Management deutscher und internationaler NGOs tätig, unter anderem bekleidete sie die Position der Bundesgeschäftsführerin des BUND. Seit 1999 berät sie in Asien (VR China, VR Vietnam) NGOs in deren Entwicklung und Strategie. Gegenwärtig arbeitet sie als Senior Advisor beim Chinesischen Stiftungszentrum (CFC). Dieser Beitrag stützt sich auf Literaturstudien zum gegenwärtigen Stand des Stiftungswesens in China und auf eigene Vorträge zur Arbeit des Centers aus den letzten sechs Monaten.
kommunikation@maecenata.eu

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