Effizienzuntersuchung gemeinnütziger Stiftungen

Opusculum 32 | 01.02.2009 | Ein internationaler Vergleich aus Managementperspektive

1 Einleitung

1.1 Relevanz der Themenstellung

Stiftungen sind wichtige Akteure der Zivilgesellschaft und Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements. Mit zunehmender Wahrnehmung, dass der Staat auf Dauer nicht in der Lage sein wird, materielle wie immaterielle Grundlagen für die Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und sich wegen leerer öffentlicher Kassen aus vielen angestammten Funktionen zurückzieht, richtet sich das Interesse verstärkt auf die Rolle von Stiftungen. Stiftungen verfügen über besondere Eigenschaften im Vergleich zu anderen Organisationsformen, die vor allem in ihrer Unabhängigkeit und Flexibilität begründet sind. Sie sind daher gegenüber anderen Organisationsformen prädestiniert, schwierige oder vernachlässigte Themen aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen und können somit einen innovativen Beitrag für die Gesellschaft leisten (vgl. Meyn/Then et al. 2003, S. 1).

Das Stiftungswesen wächst in Deutschland und in den USA mit beträchtlicher Geschwindigkeit. Darüber hinaus wird mit einer großen Erbschaftswelle in den nächsten Jahren gerechnet, welche die Expansion des Stiftungswesens weiter verstärken könnte. Umso drängender werden daher die Fragen, welche Rolle Stiftungen in der Gesellschaft einnehmen sollten und wodurch effiziente und effektive Stiftungsarbeit gekennzeichnet ist. Das heißt, die Institution Stiftung steht nicht nur einer gewachsenen Bedeutung, sondern auch neuen Herausforderungen gegenüber (vgl. Meyn/Then et al. 2003, S. 1f.).

Die Präsenz deutscher Stiftungen in der Öffentlichkeit ist gleichwohl sehr gering, was die intensive Auseinandersetzung mit der Institution Stiftung erschwert. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid, die 2005 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurde, kennen nur 50 Prozent der Deutschen überhaupt eine Stiftung (vgl. Bertelsmann Stiftung 2005). Aufgrund der geringen rechtlichen Vorschriften zur Transparenz, die es weitestgehend freistellen Aktivitäten offenzulegen, nehmen deutsche Stiftungen in der Öffentlichkeit im Vergleich zu amerikanischen Stiftungen einen verhältnismäßig geringen Raum ein. Intransparenz kann sich aber nicht nur nachteilig auf die Forschung auswirken, sondern auch auf die gemeinnützigen Organisationen selbst, weil beispielsweise das Vertrauen nicht durch Offenlegung der Tatsachen wiederhergestellt werden kann, wenn es einmal enttäuscht wurde. Der aktuelle Skandal bei UNICEF1 , welcher die deutsche Öffentlichkeit zwischen November 2007 und Februar 2008 beschäftigte, hat „wieder einmal den Finger in die Wunde der mangelnden Veröffentlichungspflicht gelegt“, bemerkt Strachwitz in einem Interview (Strachwitz 2008, S. 81). Durch Intransparenz und schlechtes Krisenmanagement bei UNICEF Deutschland gelang es der Führung nicht, das Vertrauen wiederherzustellen und die Vorwürfe um Verschwendung, Provisionen, unseriöse Darstellung der Verwaltungskosten und die Kontrolle des Stiftungsvermögens u. v. m. aufzuklären, die zum Rücktritt der ehrenamtlichen Vorsitzenden und ehemaligen Ministerpräsidentin von SchleswigHolstein, Heide Simonis, und des Geschäftsführers Dietrich Garlichs führten. Nachdem bereits hunderte von Dauerspendern ihre Spendenaufträge an UNICEF eingestellt hatten, wurde schließlich der öffentliche Verlust des Vertrauens, durch die Aberkennung des Siegels des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), welches die sparsame Mittelverwendung von Spendengeldern bescheinigt, besiegelt. Jeder vierte Deutsche gab bei einer Forsa-Umfrage an, die im Auftrag des Magazins Stern durchgeführt wurde, aufgrund der Vorkommnisse bei UNICEF in Zukunft weniger spenden zu wollen (vgl. Süddeutsche 2008a; vgl. Süddeutsche 2008b; vgl. Süddeutsche 2008c; vgl. FAZ 2008; vgl. Spiegel 2008a).

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen (BDS) bemüht sich um die Abgrenzung von dem Skandal um die Liechtensteiner Stiftungen, welche die deutsche Öffentlichkeit ebenfalls in den letzten Wochen beschäftigten. „Liechtensteiner Stiftungen haben den Namen Stiftung nicht verdient. Es sind nicht selten Scheinstiftungen zur Vermögensverwaltung unter steuerlich intransparenten Bedingungen. […] Stiftungen in Deutschland […] leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Funktionieren des Gemeinwesens“ (BDS 2008a). Durch den Fall des ehemaligen Chefs der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, dem vorgeworfen wird, ein Millionenvermögen in einer Liechtensteiner Stiftung am deutschen Finanzamt vorbeigeschleust zu haben, wurden Liechtensteiner Stiftungen wieder einmal als Geldwaschanlage für deutsche Steuersünder enttarnt (vgl. Spiegel 2008b).

1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Untersuchung ist es, die Effizienz von Stiftungen aus Managementperspektive zu untersuchen und durch einen Vergleich zwischen dem deutschen mit dem amerikanischen Stiftungswesen, Aussagen über die Leistungsfähigkeit zu treffen. „Gemeinhin gelten die USA als das Musterland der Philanthropie, was sich mitunter auch auf die reine Zahl und das Finanzpotential der amerikanischen Stiftungen zurückführen lässt“ (Toepler 2005, S. 977). Deutschland hingegen zählt das Stiftungswesen betreffend zu den Entwicklungsländern in der westlichen Welt, bemerkt Reuter, der u. a. eine Verbesserung der Publizität fordert (vgl. Reuter 2002, S. 59) – ob diese plakativen Extrempositionierungen tatsächlich zutreffen, soll im Rahmen dieses Beitrags nicht weiter diskutiert werden. Die beiden Länder eignen sich in jedem Fall für einen Vergleich, da es aufgrund der intensiv geführten Debatte in den USA in den 1960ern und den daraus resultierenden rechtlichen Vorschriften sowie u. a. durch die Anstöße der Harvardakademiker Letts und Porter Ende der 1990er zu unterschiedlich ausgeprägten Stiftungswesen gekommen ist. Ursprünglich war vorgesehen auch Großbritannien in den Vergleich mit einzubeziehen, aber aufgrund des „stuck in the middle“ Phänomens, beispielsweise in der Entwicklung des Venture Philanthropy und des Social Entrepreneurship auf die später eingangen werden soll, wurde Großbritannien in der Arbeit nicht berücksichtigt.

Um die Effizienz von Stiftungen zu untersuchen, soll in Kapitel 2 die Frage beantworten werden, welche Rolle Stiftungen in der Gesellschaft einnehmen sollten (Kapitel 2.1) und wodurch die Gründung einer Stiftung motiviert ist (Kapitel 2.2). Es ist darüber hinaus die aktuelle Stiftungsentwicklung zu betrachten (Kapitel 2.3), und welche länderspezifischen Rahmenbedingungen die Stiftungsarbeit in Deutschland und den USA beeinflussen (Kapitel 2.4). Des Weiteren sollen Zielgrößen für die Effizienz- und Effektivitätsmessung identifiziert und bewertet werden, auf die in Kapitel 3 eingegangen wird. In Kapitel 3.1 wird dazu zunächst ein Überblick über die theoretischen Grundlagen gegeben. Der Aufbau und die Probleme der Effizienzuntersuchung werden ausführlich in Kapitel 3.2 dargestellt.