Die Stiftung als Schulträgerin

Opusculum 20 | 01.08.2006 | Eine Untersuchung zur Möglichkeit der Trägerschaft kirchlicher Schulen durch Stiftungen am Beispiel Nordrhein-Westfalen

1. Einleitung

Stiftungen spielen „eine ständig wachsende Rolle im öffentlichen Leben. Deutschland erlebt zur Zeit mit rund 800 Neugründungen jährlich einen wahren Boom auf diesem Gebiet. Die Bedeutung von Stiftungen wird angesichts leerer Staatskassen noch zunehmen…“1 Nicht nur aufgrund dieser Aussage ist zu konstatieren, dass die Wichtigkeit des Themas „Stiftungen“ außer Frage steht.

Wieso aber ist die „Trägerschaft von Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen“ aktuell ein Thema von nennenswerter Relevanz?2 Und wieso kommt hierbei das Modell der Stiftung in den Blick, wie es das Thema der vorliegenden Arbeit – „Die Stiftung als Möglichkeit der Trägerschaft von Ersatzschulen im Lande Nordrhein-Westfalen?“ – vorgibt? Inwiefern könnte es für Ersatzschulträger die Notwendigkeit geben, über einen Trägerschaftswechsel hin zu einer Stiftung nachzudenken?

Die Regelungen bezüglich der Ersatzschulfinanzierung in Nordrhein-Westfalen stellen doch, wie es allgemein heißt, im Vergleich zu anderen Bundesländern eine für die Ersatzschulen recht günstige Ausgangsbasis dar3 . NRW verfügt zudem über eine reiche Ersatzschullandschaft in vielfältiger Trägerschaft, die von unterschiedlichen Schulträgern konfessioneller Prägung bis hin zu Trägern ohne religiösen Hintergrund reicht4. Gibt es dabei noch ein Desiderat zugunsten einer Trägerschaft durch Stiftungen?

Ein Blick ins Detail offenbart die Notwendigkeit einer differenzierteren Sichtweise, mit einem klar akzentuierten Blick auf den Aspekt der Finanzen. So gibt es bereits bei den Trägern mit kirchlichem Hintergrund eine deutlich unterschiedliche finanzielle Sicherheit. Die zum Teil bereits jetzt nicht günstige finanzielle Lage einiger Bistümer und Landeskirchen, zurückgehende Kirchensteuereinnahmen und die sich „gravierend verschlechternde finanzielle Lage vieler Ordensschulen“5 lässt zumindest für viele Ersatzschulen in Ordensträgerschaft die Frage nach der finanziellen Absicherung der Zukunft – zum Teil auch bereits der Gegenwart – drängender erscheinen. Schaut man sich einmal Trägerschaftswechsel in den letzten Jahrzehnten an, fällt auf, dass vor allem katholische Ordensschulträger, die einst zu den prägenden Elementen einer blühenden Ersatzschullandschaft in NRW gehört haben, ihre Trägerschaft häufig in Bistumshand überführt haben6. Und auch für die Zukunft sind es gerade Ordensschulen, die einerseits über ein unverwechselbares Proprium verfügen, andererseits aber aufgrund von Überalterung der jeweiligen Ordensgemeinschaft und mangelndem Nachwuchs in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten, wenn keine innovativen Wege, und dazu können auch Trägerschaftswechsel hin zu Stiftungen zählen, in den Horizont der Betrachtung geraten.

Schon jetzt zeigen die soeben angeführte Übernahme von Ordensschulen durch Bistümer oder Trägerschaftswechsel hin zu Modellen mit Beteiligung von Kommunen oder Kreisen, dass die Landschaft gerade der kirchlichen Schulen dieses Typs im Umbruch begriffen ist. Dass auch hier das Ende mancher Möglichkeit bereits erreicht ist, zeigt die Tatsache, dass die Bistümer in der Regel eine weitere Übernahme von Schulen ablehnen7. Die Frage, „woher neue Finanzmittel kommen sollen“8, wird vor allem, aber nicht nur, die Ordensschullandschaft weiter und noch intensiver beschäftigen.

Das Thema der vorliegenden Arbeit – “ Die Stiftung als Möglichkeit der Trägerschaft von Ersatzschulen im Lande Nordrhein-Westfalen?“ – stellt demzufolge für den Ersatzschulbereich ein Thema mit deutlich wahrnehmbarer Relevanz dar. Bereits an dieser Stelle gilt es aber schon darauf hinzuweisen, dass die denkbare Zielsetzung, mit einem potentiellen Trägerschaftswechsel alle Finanzprobleme quasi auf einen Schlag zu lösen, nicht zu den realistischen Optionen zu zählen ist9.

Bei der Frage der möglichen Trägerschaftswechsel sind prinzipiell alle Ersatzschulen im Fokus der Betrachtung; der Blick dieser Arbeit wird aber, wie im Vorausgehenden schon ansatzweise deutlich wurde, aufgrund der besonderen Dringlichkeit der Situation mancher Schulen in Ordensträgerschaft immer wieder zu den Ordensschulen schweifen.

Da die oben geschilderten Zusammenhänge im Kontext der Kirchensteuer eine für die kirchlichen Schulen spezifische Problematik erkennen lässt, wird diese Untersuchung somit eine „Schlagseite“ hin zu den kirchlichen Schulen – und hierbei besonders zu den Ordensschulen – aufweisen. Das starke Übergewicht katholischer Ersatzschulen in NRW und das spezifische Gewicht der katholischen Ordensschulen, von denen noch 43 verblieben sind10, legt immer wieder den besonderen Blick auf diese katholischen Schulen nahe. Diese an einigen Stellen spürbare Einengung des Themas ist aber so zu verstehen, dass die Ordensschulen als Folie für sämtliche Ersatzschulen fungieren sollen, um das Thema der Arbeit so immer wieder an einem möglichst konkreten Beispiel in den Blick zu nehmen.

Die vorliegende Arbeit möchte sich, wie bereits angerissen, mit der Frage der „alternativen“ Trägerschaft auseinandersetzen, indem sie untersuchen soll, inwieweit Stiftungen diesbezüglich eine sinnvolle Möglichkeit darstellen können. Der Blick in andere Bundesländer, wo man im Gegensatz zu NRW geradezu von einem aufblühenden Stiftungswesen im Ersatzschulbereich sprechen kann, offenbart, dass dies hier ohne Zweifel so gesehen wird11. Warum dies in NRW bisher höchstens ansatzweise so ist, sollte eine Frage sein, die im Verlaufe dieser Arbeit gestellt wird. In jedem Falle sind es in anderen Bundesländern Ordensschulen, aber auch Bistumsschulen, wie das Beispiel Osnabrück in Niedersachsen zeigt, die die einschneidende Maßnahme des Trägerschaftswechsels hin zur Stiftung gewählt haben.

Die Fokussierung der Themenstellung dieser Arbeit auf NRW ist durch das föderale Bildungssystem mit seinen jeweils eigenständigen Bildungslandschaften und die unterschiedlichen Ausführungsgesetze zum Bereich der Stiftungen in den Bundesländern begründet.

Die Arbeit wird sich aber nicht ausschließlich mit der Möglichkeit des Trägerschaftswechsels auseinandersetzen. Die Frage, inwieweit die Stiftung auch „einfach“ als Finanzierungsmodell fungieren kann, wird notwendigerweise mit in den Blick kommen.

Die vorliegende Untersuchung kann den Fokus nicht nur auf rechtliche Zusammenhänge legen. Bei der Frage nach dem Für und Wider eines Trägerschaftswechsels, der für jede Schule einen einschneidenden Vorgang darstellt, ergibt sich automatisch die Frage nach der Sicherung des Propriums und des Profils der jeweiligen Schule.

Neben den wenigen Stiftungen, die in NRW im genannten Zusammenhang bisher eine nennenswerte Rolle spielen12, fallen vor allem Trägerschaftswechsel in die Form einer GmbH oder in die eines Vereins auf13

Diese Arbeit soll daher, nachdem die gesetzliche Regelung der Ersatzschulfinanzierung in NRW kurz in den Blick genommen worden ist, die Informationen darlegen, mit denen sich ein Ersatz-/Ordensschulträger konfrontiert sieht, der sich mit dem Wechsel der Trägerschaft seiner Schule hin zu einer alternativen Rechtsform auseinander zu setzen hat. Er kommt nicht umhin, eine Rechtsformgegenüberstellung vorzunehmen, welche die gängigsten der Alternativen, also GmbH, Verein und Stiftung, nacheinander beleuchtet. Wegen des Schwerpunkts der Arbeit – Thema ist „Stiftung“ und nicht die Gegenüberstellung der Rechtsformen – nehmen die Ausführungen zu GmbH und Verein dabei nur einen eingeschränkten Raum ein, in dem wesentliche Aspekte „gerafft“ reflektiert werden. Die Ausführungen zur Rechtsform Stiftung werden dann, immer mit Blick auf das Thema der Arbeit, einen größeren Raum einnehmen. Der Einstieg in die Materie „Stiftung“ soll dabei im ersten Teil der Arbeit in einem Maße erfolgen, der für die Abgrenzung zu GmbH und Verein sinnvoll und ausreichend erscheint. So soll neben wesentlichen Elementen des Stiftungsbegriffs auch die Steuerproblematik angerissen werden, die wesentlich für eine Entscheidung sein dürfte. Die Arbeit kann dabei nicht den Anspruch erheben, die steuerrechtliche Grundlage umfassend darzulegen. Viele Steueraspekte bedürfen der Einzelfallbehandlung durch Experten, was nicht Thema dieser Arbeit sein kann. Wesentlich ist die Auflistung der zentralen Steuervorteile im Falle der Einrichtung einer Stiftung.

In einer Art Zwischenresümee soll die Frage nach der Stiftung als Alternative in Sachen Trägerschaft einer Abwägung unterzogen werden, und zwar vor dem Hintergrund der vorher behandelten Alternativen GmbH und Verein. Das Zwischenresümee soll auch die Frage beinhalten, ob die Stiftung als optimale Lösung auf der Suche nach einer attraktiven Trägerform zu bezeichnen ist.

Erst nach diesem Schritt, der noch einen integralen Bestandteil der Rechtsformgegenüberstellung darstellt, soll dann ein vertieftes Einsteigen in die Thematik der Stiftungen vorgenommen werden, der mit einem Blick auf die historische Entwicklung des Stiftungswesens in Deutschland und einer Bestandsaufnahme des gegenwärtig Vorhandenen bezüglich der Beziehung Stiftung-Schule in NRW beginnt.

Der Begriff „Stiftung“ und sein Verhältnis zu Schule wird also in einem Zweischritt thematisiert: Zum einen die erste Behandlung der Thematik im Rahmen einer Rechtsformgegenüberstellung und zum zweiten der Blick in die historische Entwicklung samt Bestandsaufnahme als Voraussetzung der intensiveren Beleuchtung mit Blick auf Trägerschaft. Natürlich könnte man hierbei einzelne Module innerhalb dieses Zweischritts austauschen, natürlich kann es zu Dopplungen kommen; der mögliche Entscheidungsweg eines Ersatzschulträgers ist aber so fiktiv zu verfolgen. Notwendig für ein vertieftes Einsteigen in die Materie ist nach der Bestandsaufnahme erneut eine Gegenüberstellung, dieses Mal eine der unterschiedlichen Erscheinungsformen von Stiftungen, damit der suchende Ersatzschulträger auch hier eine fundierte Entscheidung für die geeignetste Form fällen kann. Als herausgehobenes Beispiel sollen dann die Möglichkeiten für Ordensschulen beleuchtet werden, indem der Blick auf die „kirchlichen Stiftungen“ gerichtet und schließlich die Frage behandelt wird, ob die (rechtsfähige) kirchliche Stiftung privaten Rechts als sinnvolle Trägerschaftsalternative bezeichnet werden kann.

Um die Entstehung rechtsfähiger kirchlicher Stiftungen in den Blick zu nehmen, erscheint es notwendig, die rechtlichen Grundlagen für die Gründung einer entsprechenden Stiftung hinzuzuziehen, um auch hier eine solide Basis zu schaffen. Zu behandeln sind die entscheidenden Regelungen des BGB, wobei hier das reformierte Bundesrecht in den Blick gerät, das Stiftungsgesetz für das Land NRW und der CIC. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass sich die Stiftungsgesetzgebung in Bewegung befindet. So wird diese Arbeit, wie gesagt, sowohl auf das reformierte Bundesrecht als auch auf das soeben erlassene neue Stiftungsgesetz NRW eingehen. Wegen der zeitlichen Nähe der Veröffentlichung des Letzteren zur Abfassung dieser Arbeit sollen neues und altes Stiftungsgesetz NRW an den entsprechenden Stellen der Arbeit nebeneinander aufgeführt werden, um Verwechslungen vorzubeugen. Das neue Stiftungsgesetz in NRW wird hierbei in einem bestimmten, als ausreichend erscheinenden Rahmen integriert werden.

Die Arbeit soll aber nicht bei dieser Betrachtung der rechtlichen Grundlage einer möglichen Stiftung als Möglichkeit der Trägerschaft einer Ersatz- bzw. Ordensschule in NRW stehen bleiben, ohne den Blick auf einen konkreten „Fall“ zu richten, der Hinweise auf die mögliche Realisierung des angesprochenen Vorhabens geben kann. So wird zum Abschluss die „Stiftung Liebfrauenschule“ in Grefrath-Mühlhausen einer Betrachtung unterzogen, die den Weg hin zu einer Trägerstiftung zwar noch nicht realisiert hat, aber in fernerer Zukunft noch gehen könnte.

Abschließend sei erwähnt, dass die benutzte Literatur keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.