Strategische Philanthropie

Opusculum 18 | 15.08.2005 | Die Umsetzung des Stiftungszwecks durch eine Großstiftung am Beispiel der Fondazione Cariplo

1 Einleitung

Auf der Suche nach neuartigen oder modernen Konzeptionen im Dritten Sektor fällt der Blick in den letzten Jahren oftmals – für viele ein wenig überraschend – nach Italien. Denn das Land, oft für seinen staatsdominierten Nonprofit-Sektor kritisiert, hat in der jüngeren Vergangenheit einige Reformen und Neuerungen initiiert, deren Umsetzung in anderen Ländern noch lange nicht in Sicht ist. Zu diesen Reformen gehört – neben der Trennung von Zivil- und Steuerrecht bei den sogenannten ONLUS1 oder der Errichtung einer Kompetenzinstanz für diese Organisationen – die Entstehung von sehr finanzkräftigen gemeinnützigen Stiftungen, die in den 1990er Jahren vom Gesetzgeber im Zuge einer großen Privatisierungsaktion regelrecht aus dem Boden gestampft wurden. Diese Stiftungen entstanden aus der Privatisierung öffentlicher Banken und werden daher „Bankenstiftungen“ genannt. Einige konnten sich in den folgenden Jahren – nicht zuletzt dank ihrer großzügigen finanziellen Ausstattung – zu wichtigen Akteuren des Dritten Sektors in Italien entwickeln.

Eine neugegründete Stiftung mit ernorm hohem Kapital provoziert natürlich die Frage, auf welche Weise dieses Kapital denn ausgegeben wird, zumal die Bankenstiftungen von ihrer Entstehung als Nebenprodukt der Privatisierung gewissermaßen selber überrascht waren und einige Zeit benötigten, um sich strategisch und inhaltlich zu positionieren.

Die vorliegende Untersuchung geht deshalb in der Form einer Fallstudie der Frage nach der strategischen Ausrichtung einer solchen Großstiftung und der Umsetzung ihres Stiftungszieles nach. Untersuchungsobjekt ist die größte italienische Bankenstiftung, die in Mailand ansässige Fondazione Cariplo. Im Mittelpunkt stehen dabei neben dem Prozess der Themensetzung („Agenda-Setting“) und der praktischen Umsetzung der Stiftungsziele auch der Einfluss bzw. die Zuständigkeiten der einzelnen Stiftungsorgane. Auch die Entscheidungs- und Evaluationsprozesse werden beleuchtet.

Die Untersuchung basiert auf einer Analyse umfangreicher interner Papiere, die den internen Agenda-Building-Prozess dokumentieren, die Kompetenzen der Stiftungsorgane definieren oder Vor- und Nachteile der geplanten Fördermaßnahmen abwägen. Außerdem konnte auf viele Informationen, insbesondere alle relevanten Daten und Zahlen, über die Internetseiten der Stiftung bzw. des Dachverbandes der Bankenstiftungen (ACRI) zugegriffen werden.2 Außerdem fließen die Ergebnisse zweier Interviews ein, die der Verfasser mit Rupert Graf Strachwitz, Stiftungsrat der Fondazione Cariplo, sowie mit Professor Gian Paolo Barbetta, dem damaligen Leiter des „Büros für philanthropische Aktivitäten“ der Stiftung, führen konnte.3

Zum besseren Verständnis der Rahmenbedingungen sei eingangs in Kürze auf einige Fakten zu der untersuchten Stiftung hingewiesen.

1 „Organizzazioni Non Lucrative di Utilità Sociale” – Gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisationen (Übers. des Verfassers).
2 www.fondazionecariplo.itwww.acri.it.
3 Interviewprotokolle im Anhang.