Spendensendungen und Spendenabwicklungspraxis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland

Opusculum 16 | 01.06.2004 | Fernsehen und Hörfunk gewinnen beim Einwerben von Spenden immer größere Bedeutung, doch nur wenige Organisationen profitieren davon.

1 Zusammenfassung

  • Die erfolgreichste je ausgestrahlte Benefizsendung war – besonders wegen einiger sehr großer Spenden – die ZDF-Sendung „Wir wollen helfen – Ein Herz für Kinder“ am 4. Januar 2005 zugunsten der Tsunami-Opfer, für die im Vorfeld vom Sender und in allen mit der Axel Springer AG verbundenen Medien intensiv beworben wurde. Sie brachte es auf einen Ertrag von mehr als 40 Millionen Euro.
  • Fernsehen und Hörfunk gewinnen auch generell beim Einwerben von Spenden immer größere Bedeutung. Vor allem die laufende Berichterstattung über Probleme und Katastrophen trägt dazu bei, die Herzen und Geldbörsen zu öffnen.
  • Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sehen im Spendensammeln eher als die privaten einen Dienst, den sie der Allgemeinheit schulden.
  • Bei den Rundfunkanstalten besteht eine gewisse Tendenz, nach dem Vorbild der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage eigene Hilfsorganisationen zu gründen und Fördermittel nach festen Kriterien zu verteilen. Da diese Eigeninitiativen Einfluss auf die Berichterstattung der Sender haben, kann es zu einer verengten Darstellungsweise von sozialen Notlagen, zu einer weniger kritischen Berichterstattung gegenüber der Spendenpraxis gemeinnütziger Organisationen und zu einer Wettbewerbssituation mit anderen im Fernsehen aufrufenden Organisationen kommen.
  • Benefizsendungen sind zu Flaggschiffen der Sender im Kampf um Marktanteile geworden. Vor allem das ZDF hat hier positioniert.
  • Am erfolgreichsten sind dabei Sendungen, in denen im Verbund mit Printmedien um Spenden für unschuldig in Not Geratene, vor allem Kinder und Katastrophenopfer, gebeten wird.
  • Die höchsten Spendenergebnisse werden während der Prime Time nach 20 Uhr erzielt. Aber auch nachmittags lassen sich beachtliche Summen einwerben. Am 19. August 2004 sendete die ARD unter dem Titel „Wenn alle Dämme brechen“ nachmittags „Fliege live“ aus dem überfluteten Grimma. 1,17 Mio. Zuschauer schalteten ein und spendeten über 1,5 Million Euro für die Opfer des Hochwassers an der Mulde, die höchste Summe, die je in einer Nachmittagssendung im deutschen Fernsehen gesammelt wurde. Jürgen Fliege gehört mit Carreras und dem MDR-Moderator Peter Escher zu den wenigen Fernsehschaffenden, die beim Bildschirmpublikum regelmäßig für eine von ihnen gegründete und nach ihnen benannte gemeinnützige Organisation sammeln dürfen.
  • Den größten Dauererfolg mit Benefizsendungen hat der spanische Tenor José Carreras, dessen nach ihm benannte weihnachtliche Gala im Mitteldeutschen Rundfunk seit der ersten Ausstrahlung im Jahre 1995 ein Bruttoergebnis von rund 57,7 Mio. Euro an zugesagten und offenbar auch realisierten Spenden zu Gunsten der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung erzielt hat. • Nur wenige Organisationen profitieren dadurch, dass in Benefizsendungen für sie gesammelt oder ihre Internetadresse eingeblendet wird.
  • Einige mittelgroße Nonprofit-Organisationen haben sich Zweckbündnissen angeschlossen, die im Fernsehen und Hörfunk mit einem gemeinsamen Konto auf Spendersuche gehen.
  • Die Erfolge bei Benefizsendungen müssen sich die gemeinnützigen Organisationen durch zum Teil hohe Beteiligung an den Produktionskosten erkaufen. Trotzdem sind solche Sendungen für die Organisationen bei der Gewinnung neuer Förderer preisgünstiger als die herkömmlichen Mailings.
  • Vor allem für die Gewinnung von symbolischen Kinderpatenschaften, die mit der Verpflichtung zu hohen Dauerspenden verbunden sind, eignet sich das Fernsehen besser als alle anderen Medien.
  • Die Organisationen werden in Zukunft vor allem bei privaten Fernsehsendern Sendezeiten kaufen, während bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Verkauf von Sendezeiten für gemeinnützige Zwecke nach wie vor Tabu und die Schaltung bezahlter Direct-Response-TV-Spots für die Organisationen zu teuer wäre.

Dies sind die wesentlichen Ergebnisse einer Untersuchung, die Dr. Christoph Müllerleile, lange Jahre Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing, mit dem Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin im Auftrag der Stiftung Fliege durchgeführt hat.