28.02.2025 | Rupert Graf Strachwitz | Ein Kommentar zu der veröffentlichten Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag (Drucksache 20/15035)
Einen Tag nach der Wahl zum nächsten Deutschen Bundestag hat die CDU/CSU-Fraktion des bisherigen Bundestags eine kleine parlamentarische Anfrage an die noch im Amt befindliche Bundesregierung gerichtet, die sich mit der politischen Neutralität staatlich geförderter zivilgesellschaftlicher Organisationen beschäftigt. In 541 von den 551 (!) Einzelfragen geht es um 17 namentlich benannte zivilgesellschaftliche Akteure, über die in je rd. 30 fast gleichlautenden Fragen Auskunft verlangt wird. Im Kern wollen die Abgeordneten vor allem wissen, ob diese mit staatlichen Fördermitteln parteipolitisch im Sinne der anderen Parteien tätig geworden sind. Nach Aktivitäten im Sinne der CDU/CSU oder FDP wird nicht gefragt. Dagegen lautet eine der allgemeineren Fragen: „Gibt es Beispiele für gemeinnützige Organisationen, die sich bewusst aus politischen Debatten heraushalten, und wenn ja, welche?“ Die Antwort ist klar: Es sind sicher über 600.000. Wollen die Abgeordneten diese aufgelistet haben?
Von den gestellten Fragen wird die Bundesregierung eine ganze Reihe gar nicht beantworten können, weil sie rechtswidrig sind, weil sie die Antwort nicht kennt und sie diese auch nichts angehen würde oder weil das gesetzlich normierte Steuergeheimnis (hoffentlich) verhindert, daß die Finanzämter der Bundesregierung die Antworten zur Verfügung stellen. Andere Fragen sind eher abwegig, etwa diese (häufig wiederkehrende): „Welche Unterschiede bestehen zwischen der Animal Rights Watch e.V. und klassischen Wohltätigkeitsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder den Tafeln?“ Was sollen die Ministerialbeamten dazu wohl sagen?
Insgesamt kann diese Fleißarbeit eigentlich nur als töricht bezeichnet werden. Es verwundert, daß der künftige deutsche Bundeskanzler sich dazu hergibt, eine solche Anfrage zu unterschreiben. Fragen kann man sich auch, ob das Geld der Steuerzahler gut angelegt ist, wenn davon Stäbe von Parlamentariern besoldet werden, die solchen Unsinn erarbeiten. Vielleicht sollte man ihn angesichts der wirklichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, einfach vergessen.
Aber das wäre zu einfach. Die Aktion hat doch eine sehr ernste Seite. Sie ist für das gemeinnützige Handeln in diesem Land ein Schlag ins Gesicht! Im Mittelpunkt der Kritik steht – in der Einleitung wird das angedeutet – das Bundesprogramm Demokratie leben, das den bisherigen Oppositionsparteien CDU/CSU und AfD ein Dorn im Auge und wohl gut gemeint, aber in der Tat nicht sonderlich intelligent ist und vielleicht nicht hinreichend parteipolitisch neutral konzipiert war, auch wenn bspw. das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales daraus in diesem Jahr 2,5 Millionen Euro erhalten wird. In wenigen Wochen hat die neue Bundesregierung vermutlich die Möglichkeit, das Programm zu verändern oder zu beenden. Warum also jetzt noch dieser Aufstand?
Um das zu beantworten, blickt der Beobachter unwillkürlich in die USA, wo Donald Trump und Elon Musk zur Zeit ähnliches veranstalten. Der bürgerschaftliche Raum, die unabhängige Zivilgesellschaft, in den letzten Jahrzehnten zu einer wichtigen Akteursgruppe in der Gesellschaft herangereift, soll zurückgedrängt und der Herrschaft des Präsidenten unterworfen werden. In der internationalen Fachwelt als shrinking civic space bezeichnet, ist dies der erste Schritt auf dem Weg von der Demokratie zur Autokratie. Haben CDU und CSU wirklich solches im Sinn? Wollen wir so werden wie Ungarn? Oder …?
Die Zivilgesellschaft muß lernen, unabhängiger zu werden. Aber einfach mit der Kettensäge zu kommen und alle Organisationen, die politisch unliebsam erscheinen, von einer Förderung auszuschließen, also nicht die Leistung oder den Beitrag zur demokratischen Resilienz, sondern die parteipolitische Loyalität zum Maßstab zu nehmen, ist der schlechteste Dienst, den eine Regierung dem Gemeinwesen erweisen kann. Der Staat soll und darf sich die Zivilgesellschaft nicht durch Fördermittel untertan machen. Die neue Regierung, die einen Neuanfang inszenieren will, sollte sich das hinter die Ohren schreiben.