TG Schlaglicht: Weltfrauentag

04.03.2024 | Von Spitzenpolitikerinnen bis zur Basis 

Eine ehemalige Bundeskanzlerin, die in ihrer Regierungszeit als mächtigste Politiker:in Europas galt; eine amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, wohl schon bald vor ihrer Wiederwahl; und eine deutsche Bundesministerin des Auswärtigen, die eine feministische Außenpolitik verfolgen möchte. Sind diese drei Frauen in höchsten politischen Ämtern bereits Beleg genug für den vermeintlichen Siegeszug der geschlechtlichen Gleichstellung – zumindest im Westen? Der Weltfrauentag am 8. März mahnt dazu, genauer hinzusehen.

Frauen nehmen heute wichtige Positionen in Wirtschaft und Politik ein; rechtliche Fortschritte sind ebenfalls weithin sichtbar. Doch die bedeutende Feministin Luce Irigaray weist darauf hin, dass eine rechtliche Gleichstellung keiner Gleichberechtigung entspricht. Denn: Gesetze und die moderne Arbeitswelt seien von und für Männer gemacht und ausgelegt. Schon in den 1970er Jahren betonte Irigaray, dass hinter dieser Struktur die uralte, mindestens seit der Antike weiterverbreitete misogyne Annahme stecke, dass eine Frau eine Art unvollständiger Mann sei. Sie pointiert das mit der Behauptung, von einer erfolgreichen Frau werde in Wahrheit eine Mannwerdung verlangt, um in der Arbeitswelt zu funktionieren.

Die Feministin Irigaray meint: In der Arbeitswelt würde von einer Frau eine Art Mannwerdung verlangt, um dort funktionieren zu können. Der Weltfrauentag mahnt dazu, genau hinzusehen, nicht beim Feiern von Erfolgen zu verharren und bestehende Strukturen zu hinterfragen.

Nun liegt diese Kritik mitunter schon fast ein halbes Jahrhundert zurück, der Diskurs hat sich verändert und heute werden vor allem Zweifel an einer Geschlechter-Binarität laut. Aber können Strukturen, die über Jahrtausende gewachsen sind, innerhalb weniger Jahrzehnte verändert werden? Inmitten dieser Diskussion spielen neben engagierten Vordenker:innen ebenfalls feministische, zivilgesellschaftliche Organisationen eine entscheidende Rolle. Sie beteiligen sich nicht nur am Diskurs und weisen auf Missstände hin, sondern setzen sich auch direkt für Betroffene ein. Die französische Fondation des Femmes [Spendenlink] ist ein solches Beispiel.[1] Durch finanzielle, rechtliche und materielle Unterstützung stärkt sie lokale Initiativen und trägt dazu bei, bestehende Strukturen herauszufordern.

Bestehende Strukturen, die jedes Jahr allein in Frankreich viele zehntausend Fälle von Vergewaltigungen bei geringsten Aufklärungsquoten zulassen. Das offenbart: Hinter vielen vordergründigen Erfolgen der Emanzipation verbergen sich nach wie vor Formen offensichtlicher Gewalt wie auch subtiler Ungleichheit. Wahre Gleichstellung erfordert eine tiefgreifende Transformation, um eine inklusivere und gerechte Gesellschaft zu schaffen. Der Weltfrauentag sollte nicht nur eine Gelegenheit sein, Erfolge zu würdigen, sondern auch ein Aufruf zum Handeln, um sicherzustellen, dass Frauen in all ihren Facetten in einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft florieren können – ohne beim Feiern oberflächlicher Fortschritte zu stagnieren.

[1] Die Organisation wurde zufällig für dieses Schlaglicht ausgewählt.