TG Schlaglicht: Philosophischer Jahresbeginn

08.01.2024 | Von ungarisch-platonischen Bestrebungen für Wissen und Moral

Im Sommer des Jahres 2023 feierte ganz Berlin, als die Special Olympics hier stattfanden – nun werden die olympischen Sommerspiele 2024 sozusagen in direkter Nachbarschaft, genauer in Paris, ausgetragen. Außerdem erlebt in diesem Jahr nicht nur die NATO ihren 75. Jahrestag, auch die Gründung des Europarates jährt sich zum 75. Mal. Alle Ereignisse zeigen, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht nur notwendig, sondern auch sinnvoll ist: Es dient der internationalen Verständigung, stärkt die Solidarität und schafft Räume der Begegnung und des Austauschs.

Doch wie gelingt tiefergehende Verständigung, welche über die geteilte Freude an Sportereignissen hinausreicht? Philosophierende meinen seit der Antike, dass Verständigung gelingt, weil wir dieselbe Sprache sprechen können. Dabei sind keine Landessprachen, wie englisch, deutsch oder fidschianisch gemeint, sondern die Sprache der Logik, im wörtlich übersetzten Sinne also die Kunst des Denkens und Argumentierens. Und so ist, neben demokratischen Dialogen und sportlicher Zusammenkunft, ein Weg der Verständigung auch das gemeinsame Philosophieren. Beginnend beim Brabbeln im Kindesalter, fortgesetzt in philosophischen Seminaren und weiteren akademischen Ausuferungen bis hin zu Zusammenkünften in der Familie oder der Kneipe an der Ecke – der Mensch ist stets darauf bedacht, die Freiheit seines Geistes verbal auszudrücken und zu teilen. Auf diese Freiheit und den Beitrag, welchen eine philosophisch-engagierte Zivilgesellschaft in diesem Bereich leisten kann, sollen die ersten beiden Schlaglichter dieses Jahres gerichtet sein.

Die ungarische Atlantis Foundation (Spendenlink) ist eine Organisation[1], die sich der Übersetzung menschheitsgeschichtlich bedeutsamer und oftmals philosophischer Literatur in die ungarische Sprache angenommen hat. Sie beschreibt sich selbst als im Geiste Platons handelnd und schafft im Rahmen ihrer Veröffentlichungen gleichermaßen bezahlbaren Zugang zu entsprechender Literatur, wie auch Möglichkeiten für kollektives Forschen. Im Wesentlichen will die Atlantis Foundation dort Räume für freies Denken schaffen, wo diese nicht selbstverständlich gegeben sind. Und so war und ist es in der Vergangenheit und Gegenwart Ungarns nicht immer leicht, sich kritisch und frei zu äußern. Dabei ist offener Diskurs unabdingbar für eine gerechte Gesellschaft und geteiltes, zugängliches Wissen ist wesentliche Grundlage dessen. Diesen hohen Wert des Wissens beschrieb bereits Platon darin, Unwissenheit als Ursprung unmoralischen Handelns zu nennen. In eben diesem Geiste ist die akademisch-zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit nach philosophischen Grundsätzen, der sich die Atlantis Foundation verschrieben hat, von großer Wesentlichkeit.

Philosophie gibt es fast unabdinglich mit dem Entstehen von Gesellschaft und sie ist stets auch geprägt von der Gesellschaft, der sie entwächst. Einige Philosoph:innen, wie Platon, sind bis heute über die akademische Philosophie hinaus von Bedeutung. Die Gründe dafür sind so vielfältig, wie die Philosophie selbst, wenn sie sich mit Fragen darüber befasst, ob es einen Gott gibt, oder wie eine gerechte Gesellschaft und das gute Leben aussehen könnten. Ein wesentlicher Faktor für fortwährende Relevanz scheint, dass Worte und Gedanken präzise und offen zugleich sind. Dadurch können sie verschiedene Generationen und Kulturkreise gleichermaßen berühren und zum Nachdenken anregen. Und wo neben dem Wort stets die Tat steht, da kann es auch ein längst vergangenes Wort sein, dass noch heute Menschen in Aktion bewegt, sich für die Verbreitung von Wissen und Moral einzusetzen.

[1] Die Organisation wurde für dieses Schlaglicht zufällig gewählt.

Robin H. Ingold

Studentischer Mitarbeiter
ri@maecenata.eu

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