TG Schlaglicht: Philanthropie, Kirche und Religion

22.05.2023 | Philanthropie, Kirche und Religion

Die Mai-Ausgabe des TG-Schlaglichts beleuchtet den Zusammenhang von Philanthropie, Kirche und Religion.

Versuchen wir uns für einen Moment eine Welt vorzustellen, ohne die vielen Milliarden Pfund, die von der katholischen Kirche als Hilfsgelder nach Übersee fließen und die damit jährlich mehr als jede einzelne Nation spendet. (…) Eine Welt ohne die katholische Kirche wäre ärmer, hoffnungsloser und ein schlechterer Ort zum Leben.

Mit diesen Worten forderte die konservative britische Parlamentariern Ann Widdecombe ihre Zuhörer:innen in einer von der BBC ausgestrahlten berühmt gewordenen Debatte auf, innezuhalten und sich vor Augen zu führen, dass die katholische Kirche eine Kraft des Guten in der Welt sei. Und tatsächlich: Angesichts hoher Spendenbeträge (nicht nur der katholischen, sondern ebenso der evangelischen Kirche), vor dem Hintergrund kirchlicher Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas und der vielen kirchlichen Hilfsorganisationen, wie etwa Malteser und Johanniter, scheint eine Welt ohne kirchliche Wohltätigkeit in der Tat eine kümmerlichere zu sein. Doch im zunehmend säkularen Westen steht die Kirche unter Druck. Wie lassen sich schließlich die diversen Kirchenprivilegien bei zugleich hohen Austrittszahlen rechtfertigen? Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf den Zusammenhang zwischen Religion, Kirche, Philanthropie und kirchlichen Privilegien geworfen werden.

Religiöse Philanthropie als Gottesdienst

Ob als Zedaka (Judentum), Almosen (Christentum) oder Zakāt (Islam) – in den drei großen monotheistischen Religionen nimmt die Wohlfahrt einen wichtigen Platz ein. Aus theologischer Sicht begründet sich diese zuvörderst weniger als Dienst an dem begünstigten Mitmenschen, sondern eher als Erfüllung eines religiösen Gebots. Was sich praktisch als Philanthropie ausdrückt, ist somit tatsächlich ein Gottesdienst. Allein aus Deutschland fließen so von Seiten der katholischen Kirche hunderte Millionen Euro jährlich in Hilfsprojekte auf der ganzen Welt (vgl. Vatican News). Und auch das Spendenaufkommen von Muslimen liegt hierzulande laut einer Studie des Maecenata Instituts weit über dem deutschen Durchschnitt. Dieser flüchtige Blick scheint zu bestätigen, dass Religionen und Kirchen wichtige Beiträge für das Gemeinwohl leisten.

Ethische Perspektiven auf kirchliche Wohlfahrt

Wenn Ann Widdecombe wie im obigen Zitat über eine Welt ohne die Spenden der katholischen Kirche sinniert, bezieht sie sich indes weniger auf die Spendenintention der katholischen Kirche und ihrer Mitglieder als auf den positiven Effekt, der von eben jenen Spenden ausginge. Das mag überraschen, schließlich ist es in der Theologie üblich davon auszugehen, dass eine Handlung dann gut sei, wenn sie aus redlicher Absicht und redlichen Motiven heraus erfolgt. Eine Handlung wiederum an ihren Folgen zu bemessen, entspringt indes der angelsächsischen Philosophie des Utilitarismus. Dieser zufolge kann auch ein Mensch mit eigentlich schlechten Intentionen, gute Handlungen ausführen, sofern diese die Lebensqualität anderer Menschen steigern. Aus theologischer Sicht lässt sich eine Handlung jedoch nicht derart vom Handelnden unterscheiden, ein schlechter Mensch kann demnach also keine wahrhaft gute Handlung vollbringen.

Somit ergibt sich ein logisches Problem und eine offene Frage. Das logische Problem besteht darin, dass von den positiven Effekten einer Handlung nicht darauf geschlossen werden kann, dass die handelnde Person oder Institution ebenfalls gut ist. Besonders deutlich wird das vor dem Hintergrund, dass nicht nur Widdecombe als Repräsentantin der katholischen Kirche, sondern ebenso radikal fundamentalistische Zusammenschlüsse, wie etwa evangelikale Allianzen, oder die islamistische Hisbollah, mit den Wohltätigkeitsprojekten ihrer Kongregationen und Verbände werben. Daraus wird ersichtlich: Zwischen der Institution und der Religion sollte unterschieden werden. Auf das christliche Europa angewendet bedeutet das, dass die Kirche von der christlichen Religion zu unterscheiden ist.

Angesichts des Mitgliederschwunds in der europäischen Kirche bleibt somit offen, wie diese ihre Legitimität und damit vor allem den Anspruch auf diverse Kirchenprivilegien (in Deutschland etwa die Kirchensteuer, Vorrechte auf dem Immobilienmarkt bis hin zum Einfluss auf öffentlich-rechtliche Medien) aufrechterhalten kann. Wohlfahrt indes bleibt ein fester Bestandteil der Religion, auch in Zeiten gesellschaftlichen Strukturwandels.

Über die Maecenata Stiftung können diverse gemeinnützige Organisationen mit religiösem Hintergrund begünstigt werden. Im Folgenden findet sich eine Zufallsauswahl von Organisationen, die mit den drei großen monotheistischen Religionen im Zusammenhang stehen.

  • Bridge of Gold: Die Jerusalemer Organisation möchte zum Brückenbau zwischen der jüdischen Diaspora und den jüdischen Gemeinden in Jerusalem beitragen (bei Spendenwunsch kontaktieren Sie uns bitte per E-Mail).
  • Pax Christi International: Von der Vision einer besseren Welt geleitet, unterstützt die belgische Organisation mit dem Selbstverständnis einer katholischen Friedensbewegung christliche Glaubensgemeinschaften auf der ganzen Welt (zum Spendenformular).
  • Good Deed Charity Organisation: Das Ziel der britischen Good Deed Charity Organisation ist die Unterstützung der armen Bevölkerung im Jemen, insbesondere durch Medizin und Nahrung. Damit soll den Menschen auch ermöglicht werden, religiöse Feste durchzuführen (zum Spendenformular).

Zugleich ist die Wohlfahrt nicht bloß Teil der monotheistischen Tradition, sondern findet sich in allen Religionen und verschieden starker Ausprägung wieder. Daher soll zuletzt noch auf eine gemeinnützige buddhistische Organisation verwiesen werden:

  • Gomde: Die ukrainische Organisation widmet sich dem Studium buddhistischer Texte und der Übersetzung fernöstlicher Weisheiten ins Ukrainische. In Zeiten des Krieges liegt der Fokus von Gomde vor allem auf der Unterstützung der buddhistischen Glaubensgemeinschaft sowie der Unterbringung und Ernährung Hilfesuchender im buddhistischen Zentrum Kiew (zum Spendenformular).

Philip M. Pankow

Studentischer Mitarbeiter
pp@maecenata.eu

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