Die Corona-Pandemie hat weltweit für Erschütterung gesorgt. Die Krise hat das soziale, wirtschaftliche wie auch politische Leben nachhaltig beeinflusst. Die soziale Desintegration nahm zu, denn durch die Hygienemaßnahmen wurden die Mobilität und der Personenkreis für direkte Interaktionen beschränkt. Die vorliegende Arbeit hat sich in diesem Zusammenhang theoretisch wie praktischen dem Raumbezug der Konzepte Solidarität, Gaben und Hilfen gewidmet. Mittels einer empirischen Erhebung wurden die in der ersten Phase der COVID19-Pandemie in Berlin geleisteten Hilfen im Sinne von „Praktiken gesellschaftlichen Zusammenhalts“ (Salheiser et al. 2020) beziehungsweise “solidarische Handlung“ (Thome 1998:219) erfasst und hinsichtlich ihrer sozialräumlichen Verankerung, wie auch ihrer Auswirkung auf die Wahrnehmung von Nachbarschaftlichkeit (Morris/Hess 1980) untersucht. Insgesamt wurden die meisten Hilfen (35%) für „Bekannte“ erbracht, was die Stärke schwacher Beziehungen manifestiert. Zu 25% wurden Hilfen zwischen zuvor Unbekannten getauscht, womit in der Pandemie wahrscheinlich neues Sozialkapital geschaffen wurde. Digitale Plattformen spielten die wichtigste Rolle für die Vermittlung von neuen Kontakten. Es zeigt sich die wichtige, wenn auch nicht überragende Rolle, von räumlicher Nähe im Austausch von Hilfen. Insbesondere für das Zustandekommen von Hilfen zwischen Bekannten war die Nachbarschaft zentral, was die Annahme nahelegt, dass in diesem Fall die Nachbarschaft Quelle von weak ties (Granovetter 1973:1364) war. Gleichzeitig wurden in engeren Beziehungen längere Wege in Kauf genommen, um Hilfen zu leisten. Die Art der Hilfeleistung variiert mit der sozialen Beziehung. Anspruchsvollere Hilfeleistungen, etwa psychische Unterstützung, wurden eher innerhalb engerer Beziehungen geleistet.
Dabei hat die Krise das Hilfspotential vieler zuvor nicht ehrenamtlich tätiger Menschen aktiviert. Dies gibt Hoffnung auf eine auch zukünftig andauernde und notwendige gesellschaftliche Solidarität und einen starken Zusammenhalt. Denn es zeigt sich eine Verbesserung der Bewertung von Nachbarschaftlichkeit von der Zeit vor zu während der Pandemie. Diese Verbesserung fällt signifikant höher aus, wenn während der Pandemie Hilfen erfahren oder geleistet wurden. Damit legen die Ergebnisse die Gültigkeit meiner Annahmen der positiven, vergesellschaftenden Effekte von Hilfen nahe. Aufgrund der mangelnden Datenlage kann allerdings nur von einer Korrelation und nicht von Kausalität gesprochen werden.