Anerkennung und Unterstützung für Engagierte in der Krise | Zur Corona Krise: Eine Stimme aus der Zivilgesellschaft 5 | 24.04.2020

Eine Kolumne von Marie-Catherine von Heeremann

In Zeiten der Corona-Pandemie erfahren zivilgesellschaftlich Engagierte die Anerkennung und Unterstützung, die ihnen gebührt. Diese Wertschätzung muss die Krise überdauern.

Was macht die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Organisationen aus?
Zivilgesellschaftliche Organisationen widmen sich gewöhnlich einem bestimmten gesellschaftlichen Themenbereich. Das Spektrum ist sehr weit: Sie ergänzen die staatliche Daseinsfürsorge in vielen Bereichen; in anderen verfolgen sie Themen, die andere Institutionen (noch) nicht oder nur in einer bestimmten Weise bearbeiten. Sie greifen Anliegen auf, die in der Gesellschaft entstehen und bestehen, formulieren und kanalisieren sie.
Die gegenwärtige Situation ist stark bestimmt von der Sorge, dass die Ausbreitung des Corona-virus zahlreiche Menschen schwer erkranken lässt und Behandlungskapazitäten an ihre Grenze kommen könnten. In dieser Situation zeigen zivilgesellschaftliche Organisationen, wozu sie in der Lage sind: Sie erkennen aus ihrer Erfahrung heraus, wenn, wann und wie sich ihre Tätigkeit verändern muss, um ihren Zweck weiter zu erfüllen. Ein klares Selbstverständnis weist den Weg: Die „Tafeln“ stellen von Ausgabestellen auf Lieferung um, die Hilfsorganisationen mobilisieren Menschen, Material und Hintergrunddienste. Aus Besuchsdiensten werden Einkaufshilfen und ausführliche Telefongespräche.
Die Zivilgesellschaft entwickelt neue, der Situation angemessene Ideen, mit denen weitere Personengruppen einbezogen werden, sei es als Helfende, sei es als Begünstigte: Kinder und Jugendliche schreiben und malen für Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen von Seniorenheimen, die keinen Besuch bekommen dürfen. Online-Plattformen ermöglichen, Hilfe anzubieten, Informationen zu teilen und sich zu Aktionen zu verabreden. Musiker*innen spielen live vor Pflegeeinrichtungen. Zivilgesellschaftliche Organisationen bieten Plattformen für persönliches Engagement. Sie eröffnen die Möglichkeit, als Einzelner etwas zu bewirken, ohne Einzelkämpfer zu sein. Sie greifen auch damit Strömungen aus der Gesellschaft auf, machen sie zum Thema. Dadurch geben sie dem Einzelnen Raum, aktiv zu werden – in einer Weise, die ihm nützlich erscheint. Der Mensch erlebt, dass er sich persönlich daran beteiligen kann, eine Gefahr abzuwenden. In dem Maß, in dem das gelingt, wird er anschließend auch zu den Gewinnern gehören. Dafür sehen wir gegenwärtig eine Fülle von Beispielen: Privatleute und Firmen stellen Organisationen Autos und Motorroller für Transporte zur Verfügung, bringen Masken und Einweghandschuhe aus geschlossenen Geschäften, schenken Lebensmittel, führen Haustiere aus – die Liste der Beispiele ließe sich beliebig verlängern.
Hilfsbereitschaft ist eine Möglichkeit, die eigene psychische und emotionale Widerstandskraft zu stärken, zu kanalisieren, zu ordnen. Selbst, auch in Gemeinschaft, etwas gegen eine Bedrohung tun zu können, hilft gegen Sorge und Angst. Es verbessert die Resilienz, macht stärker gegen ein Gefühl der Lähmung. Ihr eine Plattform zu geben, ist im Sinne des Subsidiaritätsprinzips Aufgabe der Zivilgesellschaft.

Was folgt?
Es wird viel darüber gesprochen, dass auf die „große Anstrengung“ Anerkennung folgen müsse. Dabei reden wir von Geld und auch von besseren Arbeitsbedingungen. Das sind wichtige Instrumente der Anerkennung und dringend geboten. Wir sollten jedoch auch von anderen notwendigen Veränderungen reden. Meine Wunschliste für die Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements im Post-Corona Deutschland lautet so:

  1. Ich wünsche mir, dass im neuen Alltag Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte nicht in ihrer Arbeit behindert, angegriffen, angespuckt, beleidigt, verletzt werden.
  2. Ich wünsche mir, dass im neuen Alltag Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft und Dank unter Nachbarn für noch mehr Menschen selbstverständlich bleibt.
  3. Ich wünsche mir, dass sich Anerkennung in einem zugewandten menschlichen Umgang äußert. Dass sich viele Menschen weiterhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten schöne Überraschungen ausdenken, z.B. kleine Konzerte in Heimen, einen Anruf bei einer alleinstehenden Person oder einem lange nicht kontaktierten Freund. Auch diese Liste ließe sich verlängern.
  4. Ich wünsche mir, dass Unterstützungsstrukturen für Menschen in besonders angespannten Lebenslagen stabilisiert und verstetigt werden. Dazu zählen insbesondere Personen ohne Obdach, Familien, Kinder und Jugendliche in schwierigen finanziellen Verhältnissen sowie alleinerziehende Selbstständige.
  5. Ich wünsche mir, dass zivilgesellschaftliche Organisationen als kompetente und aufrichtige Partner wahrgenommen und unterstützt werden und Freiraum für Engagement nicht wegreguliert wird.

Information für freiwilliges Engagement: Adressen: https://www.berlin.de/buergeraktiv/informieren/coronavirus/nachbarschaftliche-hilfe/
https://www.berliner-tafel.de/berliner-tafel/helfen/ehrenamt/aktueller-bedarf/
https://www.berliner-obdachlosenhilfe.de/helfen/hilfe-wahrend-der-corona-pandemie/ https://mitvergnuegen.com/2020/ideen-jetzt-helfen-berlin/

Marie-Catherine v. Heereman

Ass. jur. Marie-Catherine v. Heereman

Rechtswissenschaftlerin, Justiziarin und Compliance-Beauftragte

mh@maecenata.eu

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