Unternehmensbeteiligungen gemeinwohlorientierter Stiftungen in Deutschland

Opusculum 119 | 30.05.2018 | Eine Studie zum Vermögen von Stiftungen und ihren Beteiligungen in Unternehmen

1. Einführung1

1.1 Stiftungsvermögen in Deutschland

Transparenz im Stiftungswesen ist seit langem Gegenstand von Diskussionen.2 Über das Ver­mögen, das Stiftungen in Deutschland verwalten, ist wenig bekannt. Der Bundesverband deutscher Stiftungen schätzt das Gesamtvermögen von Stiftungen in Deutschland auf rund 100 Mrd. EUR.3 Das Zustandekommen solcher Schätzwerte wirft jedoch Fragen auf. In Deutschland ist es im Gegensatz zu anderen Ländern möglich, dass Stiftungen alleinige Eigentümer von Unternehmen sind.4 Der Wert dieser Unternehmen und das Vermögen der Stiftungen sind grundsätzlich unklar.

Erhebungen zum Stiftungsvermögen in Deutschland greifen regelmäßig auf die Buchwerte zurück, mit denen Unternehmensbeteiligungen in den Bilanzen von Stiftungen aktiviert sind.5 Ein Buchwert unterliegt handelsrechtlichen Bestimmungen. Den ökonomischen Wert einer Beteiligung vermag ein Buchwert nicht abzubilden.6 Wenn wesentliche Vermögenswerte nur unzureichend erfasst werden, stellt sich die Frage, wie aussagefähig Schätzungen zum Vermögen von Stiftungen sein können. Auf diesen Umstand wird vielfach hingewiesen und gefordert, Stiftungsvermögen mit betriebswirtschaftlichen Methoden zu bewerten.7 Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen.

Bewertungsverfahren basieren in der Regel auf den Überschüssen, die den Eigentümern eines Unternehmens zur Ausschüttung zur Verfügung stehen.8 Deutsche Stiftungen dienen überwiegend Zielen des Gemeinwohls. In jedem Fall kommen Ausschüttungen nur den in der Satzung genannten Destinatären zugute. Aus diesem Grund erscheint diese Bewertung einer Stiftung nicht zielführend. Gefragt ist die Bewertung des Unternehmens, an dem eine Stiftung beteiligt ist, um den Wert der Unternehmensbeteiligung ableiten zu können.

Insgesamt gibt es in Deutschland ungefähr 420 Stiftungen, die wesentliche Unternehmens­beteiligungen halten (unternehmensverbundene Stiftungen).9 Bestandteil dieser Schätzung sind große gemeinwohlorientierte Stiftungen, die an multinationalen Konzernen beteiligt sind. Oftmals sind die Unternehmen börsennotiert, und die Stiftungen halten einen Teil der Unternehmensanteile. Wenn die übrigen Anteile am Kapitalmarkt gehandelt werden, können die Verkehrswerte der Beteiligungen, die Stiftungen halten, eingesehen werden. 10 In einigen Fällen sind die gemeinwohlorientierten Stiftungen aber alleinige Anteilseigner der Unternehmen bzw. die übrigen Anteile nicht-börsennotiert. Diese Stiftungen stehen im Fokus der vorliegenden Untersuchung.

Ziel ist es, die Beteiligungen zu bewerten, die große gemeinwohlorientierte Stiftungen in Deutschland an nicht-börsennotierten Unternehmen halten. Mit der Bewertung kann Transparenz über die Vermögensausstattung großer gemeinwohlorientierter Stiftungen in Deutschland geschaffen werden. Die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit können zudem als Grundlage für eine systematische Erhebung von Stiftungsvermögen dienen.

[1] Die vorliegende Arbeit verdankt viele Anregungen und wertvolle Unterstützung Herrn Univ.-Prof. Dr. mult. Anton Burger und Herrn Dr. Nils Ahlemeyer, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensrechnung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ein ganz besonderer Dank gilt außerdem Herrn Dr. Rupert Graf Strachwitz, Direktor des Maecanata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin, für den wertvollen Austausch zu aktuellen und künftigen Herausforderungen im Stiftungswesen.

[2] Vgl. Strachwitz (1994), S. 10 f.

[3] Vgl. Falk (2011), S. 11.

[4] Vgl. Fleschutz (2008), S. 72-74.

[5] Vgl. Falk (2011), S. 10; Eulerich / Welge (2011), S. 35.

[6] Vgl. Kuhner / Maltry (2006), S. 32 f.

[7] Vgl. Koss (2002), S. 12; Ebermann / Sprengel (2005), S. 4.

[8] Vgl. Ballwieser / Hachmeister (2016), S. 8 f.

[9] Vgl. Fleschutz (2008), S. 2. In älteren Erhebungen ist von 200-300 unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland die Rede. Vgl. hierzu Herrmann (1997), S. 5; Heuel (2000), S. 16.

[10] Beispielhaft seien die Else Kröner-Fresenius-Stiftung mit Beteiligung an der Fresenius SE & Co. KGaA und die Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung mit der Beteiligung an der ThyssenKrupp AG genannt.