Mission Investing – Hype oder Revolution des Stiftungssektors? Zweckbezogenes Investieren als strategische Option für Stiftungen im Niedrigzinsumfeld

Opusculum 97 | 01.02.2020 | Mission Investing – Hype oder Revolution des Stiftungssektors? Zweckbezogenes Investieren als strategische Option für Stiftungen im Niedrigzinsumfeld

1 Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung

Die deutsche Stiftungslandschaft befindet sich im Umbruch. Insbesondere die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase stellt Stiftungen auch hierzulande vor gewaltige Herausforderungen und zwingen diese, sich grundsätzliche Fragen zu stellen:

  • Wie können Stiftungen die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung ihrer Stiftungszwecke auch in einem schwierigen Finanzumfeld sicherstellen?
  • Wie können Stiftungen ihr „privates“ Vermögen besser aktivieren und für das Gemeinwohl nutzbar machen, um so zu ihrer eigenen Legitimität beizutragen (Häberlein, Nössler und Vorberger 2011: 26)?
  • Wie können Stiftungen ihre Wirksamkeit maximieren, um mit weniger Geld mehr Output zu erzielen?

Die Antworten auf diese Fragen greifen tief ein in das Grund- und Selbstverständnis der Stiftungen und verändern auch immer häufiger das operative Handeln. Manche Experten sprechen gar von einem anstehenden Paradigmenwechsel (Schneeweiß und Weber 2012: 6). Als einer der Vorreiter dieses Paradigmenwechsels gilt die F. B. Heron Foundation mit Sitz in den USA. Bereits in den 1990er Jahren kam sie zum Schluss, dass eine Stiftung mehr als nur die Erträge aus dem Grundstockkapital für die Erfüllung des Stiftungszwecks einsetzen sollte (Heron Foundation 2004: 1). Die Heron Foundation verwendet demnach nicht mehr nur die Kapitalerträge zweckbezogen, sondern investiert inzwischen ihr gesamtes Stiftungskapital in Investments, die zu ihrer Mission also ihrem Stiftungszweck passen (Gunther 2015: 1). Diese Vorgehensweise nennt sich Impact Investing oder auch Mission Investing und kann am ehesten mit zweckbezogenem Investieren übersetzt werden.[1] Dieser Ansatz stellt einen der bisherigen Eckpfeiler des gesamten Stiftungssektors in Frage: die rigide Trennung von Zweckverfolgung und Vermögensbewirtschaftung (Hagenbeck 2014: 1). Bisher war die Richtschnur für die Kapitalanlage bei Stiftungen in den überwiegenden Fällen ausschließlich ökonomischer Natur (Financial-Only-Gedanke) und lediglich der Bereich der Mittelverwendung war durch die gemeinnützigen Satzungszwecke der Stiftung geprägt. Dies hatte zur Folge, dass nur ein sehr kleiner Teil der der Stiftung insgesamt zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen für die satzungsgemäßen Zwecke eingesetzt werden kann (Köszegi 2009: 11). In Zeiten von Nullzinsen bedeutet dies überspitzt formuliert und in letzter Konsequenz, dass die Stiftungen auf einem großen Berg „toten“ Kapital sitzen, das auch auf absehbare Zeit nicht für die Erfüllung der gemeinnützigen Satzungszwecke aktiviert und zur Verfügung gestellt werden kann.

Folgt man hingegen dem Ansatz des Mission Investing kann im Idealfall eine Hebelwirkung generiert werden, die sogar die bisherige Leistungskraft des gesamten Stiftungssektors um ein Vielfaches steigern könnte (Schneeweiß und Weber 2012: 12). Auch wenn in den letzten Jahren in Deutschland mehr Bewegung in diesem Bereich in der deutschen Stiftungslandschaft wahrgenommen werden kann, so ist der Großteil des Stiftungsvermögens jedoch noch immer in klassischer Form angelegt (Bertelsmann Stiftung 2016: 10). Umgekehrt formuliert bedeutet dies jedoch, dass in Deutschland noch ein sehr großes momentan ungenutztes Potenzial für die Stiftungsarbeit der Zukunft existiert. Offenbar besteht in vielen Köpfen der Entscheider innerhalb der Stiftungsgremien immer noch ein Zielkonflikt zwischen der bestmöglichen Vermögensbewirtschaftung und der bestmöglichen Zweckverwirklichung. Diese Untersuchung soll dazu beitragen diesen Konflikt aufzulösen.

Die vorliegende Analyse verfolgt dabei vier Zielsetzungen:

  1. Sie reduziert die Komplexität des Themenfelds Mission Investment durch Klärung, Diskussion und Abgrenzung von Begrifflichkeiten, um das Thema analytisch greifbar zu machen.
  2. Sie klärt, ob zweckbezogenes Investieren (Mission Investing) zum momentanen Zeitpunkt eine sinnvolle strategische Alternative für deutsche Stiftungen im Niedrigzinsumfeld darstellt?
  3. Sie beleuchtet an Hand von Praxisbeispielen, wie Mission Investment in der Praxis funktionieren kann und welche Herausforderungen dabei entstehen können.
  4. Sie gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des zweckbezogenen Investierens in der deutschen Stiftungslandschaft.

Die Arbeit ist in 5 Kapitel untergliedert. Nach dem vorliegenden einleitenden Teil mit Problemstellung und Zielsetzung, werden in Kapital 2 die Begrifflichkeiten näher beleuchtet und voneinander abgegrenzt. In Kapitel 3 geht es um Vorteile, Herausforderungen und Grenzen von Mission Investment. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Fallstudien und beleuchtet damit die bereits vorhandene Praxis des Mission Investments in Deutschland. Das abschließende Kapitel 5 wagt einen Blick in die Zukunft des Mission Investings und schließt mit einem Fazit ab.

„Mission Investing […] ist auf dem Vormarsch.“ (Schneeweiß und Weber 2012: 10)

„Impact Investments generieren sowohl sozialen und ökologischen Nutzen als auch finanzielle Erträge” (Freireich/Fulton: 2009)

[1] Zur Schwierigkeit der Definition und der Abgrenzung der unterschiedlichen Begriffe vergleiche die Ausführungen in Kapitel 2 dieser Untersuchung.