Der Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeitern in deutschen Museen

Opusculum 91 | 01.03.2016 | Studie zur Arbeit von Ehrenamtlichen in deutschen Museen

1.    Das Ehrenamt in der Gesellschaft, der Kultur und im Museum

Tatsache ist, wenn die Ehrenamtlichen sich morgen die Freiheit nehmen würden, nicht mehr unentgeltlich in Vereinen und Initiativen mitzumachen, […] dann würde Stillstand einkehren an vielen Ecken. Beim Sport, in der Kultur, in der Lebensrettung […]. Die Hilfsbereitschaft der Deutschen ist enorm. Die Aktion des Medienmenschen Schweiger ist im Grunde nur ein prominentes Beispiel für eine mächtige Bürgerbewegung der Selbstlosigkeit (Nr.1).

Anfang August 2015 lobte die Süddeutsche Zeitung die „Selbstlosigkeit“ Til Schweigers, der sich fortan ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte. Damit ist er einer von fast 30 Millionen Deutschen, die sich freiwillig und unbezahlt für gemeinschaftliche Belange einsetzen (vgl. BMFSFJ 2010, S. 6). Gerade in Sportvereinen und im sozialen Bereich werden viele Aufgaben von Ehrenamtlichen übernommen. Aber auch in der Kultur üben mehr als vier Millionen Menschen ein Engagement aus (vgl. BMFSFJ 2010, S. 7). Die ehrenamtliche Museumsarbeit stellt im Kulturbereich zwar nicht den Spitzenreiter dar, diese Position bleibt den zahlreichen Laienchören und Musikvereinen vorbehalten. Eine offizielle Statistik des Instituts für Museumsforschung (IfM, ehemals Institut für Museumskunde) aus dem Jahr 2003 belegt jedoch, dass fast die Hälfte aller Museen auf ehrenamtliche Mitarbeiter[1] zurückgreifen (vgl. Institut für Museumskunde 2004, S. 50).

Diese Befunde widersprechen den gesellschaftskritischen Stimmen, die vornehmlich hedonistische und egoistische Handlungsmuster in der heutigen Gesellschaft beobachten. Das Gut der individuellen Selbstverwirklichung sei heute wichtiger denn je, der kollektive Zusammenhalt am Schwinden (vgl. Kersting 2002, S. 19). Der Soziologe Ulrich Beck betont hingegen, dass es keinen Widerspruch zwischen einer hohen Engagementbereitschaft auf der einen und einer von Selbstverwirklichung geprägten Gesellschaft auf der anderen Seite gebe. Er sieht in dieser Tendenz vielmehr eine neue gesellschaftliche Strömung. „Wir leben in einer Zeit, die zugleich individualistisch und moralisch ist. […] Das öffentliche Lamentieren über die Egogesellschaft ist falsch, blockiert die Einsicht in einen im Entstehen begriffenen ‘altruistischen Individualismus’“ (Beck 2000b, S. 48–49). Die gegenwärtige Gesellschaft verknüpfe verstärkt individuelle Interessen mit selbstlosem Engagement, um so Vorteile für sich und andere heraus zu stellen. Die Bedeutung dieser neuen Freiwilligenarbeit werde, auch mit Blick auf die demographische Entwicklung Deutschlands, noch steigen. In Zukunft verlassen immer mehr aktive, gut ausgebildete Menschen den Arbeitsmarkt, die ihre Fähigkeiten und ihr Wissen in ihrer Freizeit unentgeltlich weitergeben (vgl. Knop 2006, S. 141).

Die beachtliche Engagementbereitschaft der Bevölkerung geht zugleich mit einem Anstieg an Institutionen einher, die auf diese Bereitschaft zurückgreifen. Nicht nur im sportlichen und sozialen Bereich, auch im Kultur- und Museumsbereich ist dieser Trend schon seit geraumer Zeit zu beobachten. Immer mehr Museen erkennen den Wert ehrenamtlicher Unterstützung. Seit den 1990er Jahren kommen jährlich mehr als 30 Museen hinzu, die erstmalig mit Ehrenamtlichen arbeiten (vgl. Institut für Museumskunde 2004, S. 53). Da die Konkurrenz um Ehrenamtliche folglich größer und der „Engagementmarkt“ (Zimmer und Vilain 2005, S. 103) umkämpfter wird, führt diese Entwicklung die einzelnen Institutionen schließlich in Bedrängnis. Angesichts der unzähligen Möglichkeiten sich zu engagieren, müssen sich Museen entsprechend positionieren, um für Engagierte attraktiv zu sein. Aus diesem Grund wird es langfristig unumgänglich sein, die Gewinnung, Betreuung und Bindung der Ehrenamtlichen systematisch zu koordinieren. Schon derzeit, aber insbesondere in Zukunft, gibt es „deutliche Vorteile für solche Organisationen, die über ein professionelles Freiwilligen-Management verfügen“ (Reifenhäuser et al. 2009, S. 34).

[1] Für eine bessere Lesbarkeit wird im Folgenden ausschließlich die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind weibliche Personen stets inbegriffen.