Zivilgesellschaftliche Akteure und die Betreuung geflüchteter Menschen in deutschen Kommunen

Opusculum 92 | 01.04.2016 | Zivilgesellschaftliche Akteure und die Betreuung geflüchteter Menschen in deutschen Kommunen

Executive Summary

  1. Die erste Phase der Hilfe war die Stunde des bürgerschaftlichen Engagements.

Ohne die Hilfe der engagierten Bürgerinnen und Bürger hätte der Zustrom der Geflüchteten nicht bewältigt werden können. Diese Einschätzung bestätigen beinahe alle Kommunalpolitikerinnen, Kommunalpolitiker und Akteure aus den im Rahmen der Studie involvierten Behörden, die unmittelbar mit der Unterbringung und der Hilfe für Geflüchtete befasst sind.

  1. Es gibt fünf unterschiedliche Akteursgruppen.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass von fünf Akteursgruppen auszugehen ist. Neben den staatlichen Akteuren gibt es die Kommunen, die etablierten Organisationen der Zivilgesellschaft, die spontanen Helfergruppen und die geflüchteten Menschen. Diese sind besonders wichtig, da sie nicht als Objekt der Tätigkeit der vier anderen Gruppen betrachtet werden dürfen.

  1. Das Verhältnis der Akteure zueinander hat sich verändert.

In den letzten Monaten hat sich das Verhältnis dieser fünf Akteursgruppen zueinander verändert. Vielen – gerade den Akteuren des Staates ist deutlich geworden, dass die Zivilgesellschaft keine nettes Add-on mehr ist. Die verschiedenen Gruppen sind unverzichtbarer Bestandteil einer liberalen und hilfsbereiten Gesellschaft. Auf der Seite der zivilgesellschaftlichen Helferinnen und Helfer wird der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen und Behörden stärker geschätzt und anerkannt.

  1. Die Existenz der Helfergruppen hat eine eminent politische Dimension.

Die spontan entstandenen Helfergruppen erbringen mit ihrer Tätigkeit soziale Dienstleistungen. Viel wichtiger aber noch ist der – vielen nicht bewusste ‒ Nebeneffekt ihres Engagements: Sie setzen damit ein politisches Zeichen. Die Helfergruppen haben mit anderen erreicht, dass die Stimmung nicht gekippt ist, es ist nicht überall (militante) Ablehnung gibt, sondern den Geflüchteten vielmehr mit Wohlwollen begegnet wird.

  1. Unterschiedliche Erfahrungen müssen aufgearbeitet und nutzbar gemacht werden.

An den untersuchten Orten (Berlin, Mannheim, Starnberg) ist zum Teil sehr unterschiedlich mit der Herausforderung umgegangen worden. Im wesentlichen führte mehr Partizipation und Kooperation zu besseren Erfolgen. Diese müssen genauer untersucht und im Sinne eines best practice übertragbar gemacht werden.

  1. Die Kooperation zwischen allen Akteursgruppen ist eine Erfolgsbedingung.

Entscheidend für den Erfolg der Hilfen für geflüchtete Menschen ist die Zusammenarbeit aller Akteure. Dabei gibt es markante Unterschiede zwischen einer „anonymen“ Großstadt und einem Landkreis, in dem vieles über direkte Kontakte geregelt wird. Der Wille und die Bereitschaft zur Kooperation ist dennoch ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor. Die Formen der Kooperation können systematisiert werden und sollen nicht dem Zufall und allein dem politischen Willen überlassen werden.

  1. Die zivilgesellschaftichen Organisationen müssen ihre Position definieren.

In der beginnenden zweiten Phase der Integration sind auch für große Organisationen viele Anforderungen neuartig. Sie müssen für sich definieren, ob und wie sie sich beteiligen wollen, auch im Verhältnis zu gewerblichen Anbietern.

  1. Bei spontanen Helfergruppen ist Organisationsentwicklung notwendig.

Die spontanen Helfergruppen haben wenig Ressourcen und Erfahrung. Bei einigen Gruppen zeigen sich Erschöpfungserscheinungen. Diese Gruppen sind aber notwendig für die zweite Phase der Integration. Sie benötigen mehr Hilfen bei der Weiterentwicklung ihrer Strukturen.

  1. Wir brauchen Entwicklungsprozesse und Bildungsangebote für alle Akteure.

Der Ruf nach mehr Stellen geht ins Leere, wenn diese nur zur personellen Aufstockung in bestehenden Strukturen genutzt werden. Wichtig ist die Anpassung dieser Strukturen und die Verbesserung der Qualität, nicht der Quantität.

  1. Wir dürfen nicht in alte Handlungsmuster zurückfallen.

Was wir in dieser Herausforderung über Kooperation gelernt haben, sollte auch in anderen Politikfeldern angewandt werden.