Opusculum 40 | 20.12.2009 | Zivilgesellschaft und Raumentwicklung – eine Diskurs-Einordnung
1. Zivilgesellschaft und Raumentwicklung – eine Diskurs-Einordnung
Die Sozial- und Geisteswissenschaften widmen der Zivilgesellschaft bereits seit fünfzehn bis zwanzig Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit. Soziologen, Politologen oder Philosophen nähern sich dem Phänomen aus unterschiedlicher Richtung und zumeist normativ. Auch in den raumrelevanten Disziplinen ist der Begriff als solcher angekommen. Allerdings wird er hier nur zögerlich diskutiert, hinterfragt oder erforscht. In gewisser Weise wird er als gegeben hingenommen. Dies lässt insofern aufhorchen, als dass der Begriff gerade in der politischen Rhetorik zunehmend Verwendung findet, aber völlig unklar bleibt, wer was darunter versteht. Im Kontext der Raumentwicklung gilt es ein Augenmerk auf unter anderem folgende Aspekte zu legen:
> Raumentwicklung umfasst auch Planung, und Planung ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden. Wenn die Zivilgesellschaft im Kontext von Stadtentwicklung erwähnt wird, ohne dies weiter zu untersetzten, wird sie damit, gewollt oder nicht, oft im Kontext leerer Kassen thematisiert.
> Raumentwicklung ist aber auch deutlich breiter aufgestellt als Planung und umfasst ebenso soziale, ökologische oder gesellschaftliche Komponenten. Da die öffentliche Hand es nicht mehr leisten kann, alle diese Komponenten umfassend im Blick zu haben und entsprechende Strategien und Projekte umzusetzen, wird auch hier ein Ruf nach mehr Verantwortungsübernahme durch die Zivilgesellschaft laut. Ähnlich wie bei den leeren Kassen, erscheint es diskussionswürdig, Zivilgesellschaft somit primär im Kontext des Rückzugs des Staates zu thematisieren.
> Die Erfahrungen der Raumentwickler mit der (Gesellschaft und) Zivilgesellschaft beruhen in weiten Teilen auf Beteiligungsprozessen. Neben der gesetzlich vorgeschriebenen und damit formellen Beteiligung der Öffentlichkeit nach dem Bau-Gesetzbuch (BauGB) gibt es auch diverse Ansätze informeller Bürgerbeteiligung. Sowohl bei der formellen, wie auch informellen Beteiligung, stellen Bürgerinnen und Bürger ihre Zeit und ihr Wissen für die Entwicklung der Stadt zur Verfügung. Die Erfahrung zeigt, dass in raumrelevanten Disziplinen der ohnehin nur vorsichtig geführte Diskurs um die Zivilgesellschaft oft auf Beteiligung reduziert wird.