Maecenata Info II/2023 veröffentlicht

23.08.2023 I Unser Newsletter Maecenata Info bietet einen Überblick über unsere vielfältigen Tätigkeiten während des letzten Quartals

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Seit der letzten Ausgabe von Maecenata Info im April 2023 geschah zusammengefasst:

  • Veröffentlichung von 3 Opuscula, 2 Observatorien und 1 Maecenata Schrift
  • Dazu 8 externe Publikationen
    Organisation von 8 Veranstaltungen, zudem fand unser Forschungscollegium ein weiteres Mal statt
  • Dazu kommt die Lehre in Präsenz an mehreren Hochschulen sowie die Betreuung von Qualifizierungsarbeiten
  • Weiter intensive Forschung, v.a. zur Diversität in zivilgesellschaftlichen Organisationen (im Mai abgeschlossen), zum Engagement der Rotary Clubs für die Ukraine (im Mai abgeschlossen), zum Shrinking Civic Space in Europa (im Juli abgeschlossen) und zur muslimischen Philanthropie in Deutschland (Abschluß voraussichtlich im Oktober 2023)
  • Beteiligung an vielen Debatten, Workshops, Vorträgena. Vorträge beim Best of Fundraising Kongress von Siri Hummel und Marie-Christine Schwager-Duhse

Das Editiorial des zweiten diesjährigen Newsletters schrieb Hagen Troschke, der neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Tocqueville Forum ist. Er ist unser neuer Ansprechpartner für Fragen zur europäischen Zivilgesellschaft und freut sich über regen Austausch. Hagen vertritt die Stiftung in diversen Europagremien und arbeitet an der Stärkung der Grundlagen für zivilgesellschaftliches Handeln. Er hat einen Master in Geschichte, Psychologie und Medienwissenschaften und war zuvor auf mehreren Stationen in der Forschung und dem Transfer von Wissenschaft zu Praxis tätig.

Editorial

Shrinking spaces für die Zivilgesellschaft – also eine Beschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten – werden immer wieder festgestellt und wurden zuletzt auch auf einem Symposium von Maecenata erörtert. Sie sind eine Herausforderung, der kontinuierlich und möglicherweise mit verstärktem Einsatz begegnet werden muss. Vor diesem Hintergrund bietet sich die Einladung zur Bestandsaufnahme und Ideenentwicklung an, wie zivilgesellschaftliche Akteure solchen shrinking spaces bereits entgegenwirken und wie sie eine (erneute) Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten erreichen können. Zwei Punkte sollen dafür herausgegriffen werden: Kooperationen und finanzielle Unterstützung von ZGO.

Oft ergibt sich aus den gesetzten Zielen, dass Handeln lokal oder regional erfolgt. Viele Ziele erlauben jedoch (oder erfordern regelrecht) eine internationale Vernetzung von Akteuren – und zwar für alle Funktionen der Zivilgesellschaft. Solche Vernetzungen gibt es in großem Umfang; trotzdem gibt es Fragen, die für viele Akteure aktuell bleiben: Wie kann sich die Arbeit in verschiedenen Teilen der Welt ergänzen, was können wir voneinander lernen und was können wir einbringen? Welche Kooperationen haben wir? Inwiefern sind sie ausbaufähig? Mit wem und in welcher Form können neue begonnen werden? Aus einer deutschen Perspektive stellen sich diese Fragen vor dem Hintergrund eines hohen Grades von Freiheit und relativ großer Handlungsspielräume in einem wohlhabenden Land. Daraus ergibt sich für uns als zivilgesellschaftliche Akteure die Möglichkeit, aber auch die Verantwortung, die Zivilgesellschaft in anderen Ländern, die dortigen Rahmenbedingungen und die notwendige Unterstützung für diese – insbesondere außerhalb Europas bzw. des Westens – verstärkt in den Blick zu nehmen. In solchen Kooperationen kann somit auch ein Aspekt von Solidarität stecken. Diese wirkt jedoch durch den damit verbundenen Austausch ausdrücklich in beide Richtungen und geht nicht allein von dem Akteur mit den umfangreicheren Ressourcen aus.

Die Finanzierung von ZGO gewinnt gerade dort an Bedeutung, wo ihr Engagement politischem Druck ausgesetzt ist. Das Programm Transnational Giving Europe, dessen deutsche Partnerin Maecenata ist, ist eine konkrete Unterstützungspraxis für akkreditierte Organisationen mit gemeinnützigem Status, die in solchen Fällen helfen kann. Oft gehen Kontexte von politischem Druck jedoch auch mit eingeschränkten oder fehlenden strukturierten Fördermöglichkeiten, Hürden bei der Registrierung oder einer formalen Akkreditierung einher. Angesichts dessen müssen neue Wege gefunden und ausgebaut werden, um Spenden für Organisationen zu sammeln, in deren Ländern es keine Rechtsstaatlichkeit gibt, die mangels Registrierung nicht akkreditiert werden können oder die personell, organisatorisch oder rechtlich nicht in der Lage sind, sich um bestimmte Fördermittel zu bewerben. Die Alternative, an große internationale Organisationen zu spenden, wird der Situation in der Regel insofern nicht gerecht, als dass allein deren Handlungsspektrum schon nicht alle Bedarfe vor Ort abdeckt. Nun kann aber nicht von allen Geldgebern erwartet werden, dass sie auf reiner Vertrauensbasis spenden und fördern. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, dass sie ihre Spenden Organisationen in Deutschland zur Verfügung stellen, die eine gemeinsame Arbeitsbasis mit Gruppen im Ausland haben, das Geld weiterleiten und damit informell für die sachgemäße Verwendung bürgen können. ZGO könnten für dieses Vorgehen verstärkt über die eigenen Netzwerke und bei potenziellen Spendern werben. Hier besteht aber noch Raum für die dringend gebotene Etablierung neuer Verfahren.

Ein Beispiel soll die Notwendigkeit von Kooperation und den Ausbau weiterer Finanzierungsmöglichkeiten veranschaulichen. In vielen afrikanischen Staaten sind homosexuelle oder queere Menschen Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Situation verschlechtert sich in einigen Staaten dramatisch. Diese Entwicklung ist eine Folge gezielten Handelns. Die gesellschaftliche und rechtliche Diskriminierung von LGBTQ+ wird zum Beispiel von evangelikalen Gruppen aus den USA in diversen afrikanischen Ländern seit Langem massiv gefördert, indem sie auf die Politik Einfluss nehmen und die Finanzierung von durch Akteure der Zivilgesellschaft getragene Serviceleistungen für die Menschen in diesen Ländern an eine homophobe Agenda knüpfen. Afrika wird als starke Bastion angesehen, in der Homophobie noch ausgelebt werden kann, und deshalb arbeiten sie daran, dort ihre politischen Vorstellungen umzusetzen. Diese Gruppen sind international vernetzt und machen ihre Unterstützung nicht von Akkreditierungen und Transparenzberichten abhängig. Sie geben das Geld für die Umsetzung ihrer Agenda, gehen davon aus, dass die lokalen Akteure in ihrem Sinne handeln, und werden durch die Ergebnisse bestätigt. Eine illiberale Zivilgesellschaft arbeitet dort Hand in Hand mit dem Staat erfolgreich daran, Menschenrechte und Spielräume für zivilgesellschaftliches Handeln im Sinne einer offenen Gesellschaft einzuschränken. Die finanzielle Unterstützung der Diskriminierung und Verfolgung von LGBTQ+ fällt dabei um ein Vielfaches höher aus als die Unterstützung im Kampf um Menschenrechte für LGBTQ+. Die längste Zeit wurde dieser Schauplatz von progressiven Akteuren vernachlässigt.

In Bezug auf die shrinking spaces stellt sich die Frage, ob wir nicht gerade bei politischen Auseinandersetzungen bestimmte Weltregionen weitgehend sich selbst überlassen und Auseinandersetzungen, die supranational sind, nicht noch viel zu oft auf einer rein nationalen Ebene führen und damit Potenziale und Erfolg beschränken. Innerhalb der EU bewegt sich in dieser Hinsicht einiges, in Bezug auf andere Kontinente weniger. Viel zu oft sind Kooperationen von historischen Verbindungen zwischen Ländern oder durch eine gemeinsame Sprache bestimmt. Diese Grenzen des Naheliegenden sollten aktiv durchbrochen und häufiger eine internationale bzw. globale Perspektive eingenommen werden. Durch gezielte Kooperationen und Spendenempfehlungen können wir dazu beitragen, Organisationen im Ausland zu unterstützen, die möglicherweise formal nicht die höchsten internationalen Standards erfüllen, aber unverzichtbare Arbeit leisten. Wege, eine unsachgemäße Verwendung von Mitteln und Korruption auszuschließen, müssen natürlich trotzdem gefunden werden. Der Verengung von Handlungsspielräumen sollten wir bereits initiativ zuvorkommen und nicht erst reagieren, wenn diese zu einem erheblichen Teil reduziert sind.

Es lohnt, sich diese Fragen in regelmäßigen Abständen zu stellen. Der beidseitige Gewinn aus Kooperationen kann bedeutend sein, während andernfalls Stagnation oder gar Rückschritte eintreten können, die sich auch auf die Entwicklungen in anderen Regionen oder Ländern auswirken können.

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Hagen Troschke

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
ht@maecenata.eu

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