Was hat die EU mit der Zivilgesellschaft vor?

22.06.2023 I Stellungnahme der Maecenata Stiftung zum Vorschlag der Europäischen Kommission über die Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft

Die Europäische Kommission hat am 13. Juni 2023 einen Vorschlag an den Europäischen Rat für eine Empfehlung zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft veröffentlicht. Dieser Vorschlag ist Teil des Aktionsplans der Europäischen Kommission (2021) für die Sozialwirtschaft. Zu den Maßnahmen, die getroffen werden sollen, zählt auch eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbediungungen für gemeinwohlorientierte Organisationen und deren Spender:innen.

Die Maecenata Stiftung, der Think Tank zu Zivilgesellschaft und Philanthropie mit europäischer Ausrichtung, nimmt dazu wie folgt Stellung:

Als Ziel wird formuliert, „den Zugang zum Arbeitsmarkt und die soziale Inklusion zu verbessern, indem die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, die Sozialwirtschaft in ihre sozioökonomische Politik zu integrieren und Unterstützungsmaßnahmen sowie ein günstiges Umfeld für den Sektor zu schaffen.“ Dadurch wird weiter angestrebt, „eine nachhaltige wirtschaftliche und industrielle Entwicklung zu fördern, zum territorialen Zusammenhalt in den Mitgliedstaaten beizutragen und soziale Innovationen zu unterstützen.“

Beim Ansinnen, die Zivilgesellschaft zu stärken, wird diese also zuerst als Arbeitgeberin und Wirtschaftsfaktor mit den davon ableitbaren Effekten wahrgenommen. Zur Unterstützung dieser Funktionen werden dementsprechend v. a. Maßnahmen aufgezählt, die eine arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Ausrichtung aufweisen. Die Vielzahl der anderen Eigenschaften und Zwecke der Zivilgesellschaft treten dahinter zurück; diesen kommen jedoch die vorgeschlagenen Maßnahmen gleichermaßen zugute.

Im Rahmen dieses Vorschlags werden Maßnahmen zur finanziellen Stärkung der Zivilgesellschaft zwar sachlich richtig, aber überraschend in ihrer Subsumierung unter die Ziele des Papiers auch aufgezählt. So heißt es, die finanzielle Entwicklung der Sozialwirtschaft solle über steuerliche Anreize für Spender:innen, Körperschaftssteuerbefreiungen, einen Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitendes Spenden für gemeinnützige Zwecke innerhalb der EU und eine EU-weite Standardisierung von Formularen für Spendenempfänger:innen unterstützt werden. Des Weiteren wird staatlichen Stellen nahegelegt, potenzielle Förderer:innen zu ermutigen, diese bei der Identifizierung von ihren Kriterien entsprechenden Empfänger:innen zu unterstützen und ggf. Garantien für die Verwendung der Spende zu geben.

So begrüßenswert diese seit langem nötigen Neuerungen wären, stellt sich doch die Frage, weshalb sie hier nur als Mittel zum Zweck erscheinen und nicht vollwertiger Gegenstand eines Vorschlags sind, der sich zentral eben diesem Thema widmet. Aufgrund der vorliegenden Verortung ist anzunehmen, dass der Maßnahmenkatalog zur finanziellen Stärkung der Zivilgesellschaft, die im übrigen breiter definiert wird als sonst üblich, weder erschöpfend noch ausdifferenziert genug geraten ist, um eine wegweisende und abschließend zufriedenstellende Neuerung für Spenden und insbesondere grenzüberschreitendes Spenden darzustellen. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Europäische Rat den Vorschlag in der vorliegenden Form kaum akzeptieren wird.

Verwunderlich erscheint schließlich, dass eine Verknüpfung mit anderen Plänen der Europäischen Kommission nicht erkennbar ist. Sergey Lagodinsky, MdEP, kämpft bspw. schon seit längerem für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft auf europäischer Ebene. Die Kommission hat sich eine Resolution der Europäischen Parlaments zu eigen gemacht, die drei wichtige Punkte enthält:

  • die Verabschiedung eines europäischen Vereinsstatuts (durch den Rat, was voraussichtlich nicht geschehen wird),
  • Fortschritte bei der Absetzbarkeit von Spenden an Empfänger:innen in der EU,
  • eine Regelung, die das Tätigwerden von zivilgesellschaftlichen Organisationen im gesamten EU-Raum gestattet.

Ob die oben geschilderten Initiativen der Kommission Antworten auf diese Initiative beinhalten, ist nicht sicher.

Besonders irritierend erscheint, dass die Kommission gleichzeitig im Rahmen ihres Defence of Democracy Package eine Regelung zu Zuwendungen von außerhalb der EU erlassen wollte, die russischen und vergleichbaren Foreign-Agent-Regeln erstaunlich nahekommt. Nach zahlreichen Interventionen und Einsprüchen aus der Zivilgesellschaft ist diese jetzt nochmal zurückgestellt und eine genaue Prüfung ist zugesagt worden.

Aus all diesen Gründen scheint Euphorie nach Art der Kommentare einiger Verbände über baldige Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Zivilgesellschaft und Philanthropie in der EU zumindest verfrüht.