Inwiefern hat sich die Zusammenarbeit in der Zivilgesellschaft mit TTIP verändert?

Opusculum 162 | 29.04.2022 | Neues Opusculum von Cosima Kaibel mit einer Zusammenstellung und einem Praxisbericht von Cornelia Maarfield

Aus der Einleitung:

Globalisierung und internationale Zusammenarbeit können große wirtschaftliche Synergien schaffen. Produkte können effizienter und effektiver hergestellt werden, internationaler kultureller Austausch bietet das Potenzial, befruchtend zu wirken.

Gleichzeitig entstehen in einer globalisierten Welt neue Risiken, neue Zusammenschlüsse und Kooperationen, die reguliert werden müssen. Neue Standards müssen für die Zusammenarbeit gesetzt werden.

Hierbei treffen nicht nur wirtschaftliche und politische Interessen aufeinander, sondern auch kulturelle. Im Falle TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) sollten Entscheidungen, die einzelne europäische Länder oder gar Regionen bisher getroffen haben, auf europäischer Ebene mit den USA verhandelt werden und – sofern das Abkommen in seiner zuletzt diskutierten Form in Kraft getreten wäre – vor internationalen Schiedsgerichten. Was bedeutet das für die europäische Zivilgesellschaft¹? Wie reagiert sie auf diese Verschiebung von regional zu global?

Guérot (2016) konstatiert, auch die allgemeine Bevölkerung erführe inzwischen die Unmittelbarkeit europäischer Entscheidungen und damit auch entstehende Probleme. Dies führe dazu, dass die europäische Zivilgesellschaft zunehmend in den Vordergrund rücke: „Wer dieser Tage im Internet surft, findet unzählige europäische Internet- und Bürgerinitiativen, also ganz viel europäische und globale Zivilgesellschaft, deren Vernetzung und öffentlicher Diskurs als Vorform einer europäischen Ö ffentlichkeit sogar schon messbar und empirisch belegbar sind.“ (Guérot 2016). Während sich die europäische Zivilgesellschaft früher maßgeblich in nationalen Kontexten organisierte, tut sie dies nun zunehmend auf europäischer Ebene und richtet sich vermehrt gegen europäische Institutionen (Wigger/ Horn 2014 in Guérot 2016). Es entstehe eine „partizipatorische Revolution“, die dazu führe, dass bestimmte Bewegungen an Kraft gewännen und transnational wirkten (Kaase 1984 in Guérot 2016).

TTIP stellte das weltweit umfangreichste und mächtigste bisher diskutierte Freihandelsabkommen dar und entfachte einen besonderen Widerstand in der Zivilgesellschaft. Diese Ausarbeitung beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern sich die Kooperation zivilgesellschaftlicher Organisationen als Reaktion auf TTIP verändert hat.

Damit einher gehen außerdem die Fragen, inwieweit diese Veränderung sich langfristig manifestiert und welche Rahmenbedingungen sich für die Zivilgesellschaft insbesondere in Bezug auf Freihandelsabkommen verändert haben.

Um dies zu untersuchen, wurden drei Leitfadeninterviews mit Akteur:innen unterschiedlicher Positionen geführt: Eines mit der stellvertretenden Geschäftsführung des deutschen Kulturrates, eines mit der Campaign Managerin der Stop TTIP-Kampagne und eines mit einer Person in einer Führungsposition für Außenwirtschaftspolitik eines deutschen Wirtschaftsverbands.

Zunächst wird der Begriff Freihandelsabkommen erläutert. Im nächsten Schritt wird thematisiert, welchen Hintergrund TTIP besaß, was es beinhaltete, welche Hauptakteure mit welchen Interessen involviert waren und wofür TTIP kritisiert wurde. Im Anschluss daran werden die Interviewpartner:innen vorgestellt und die von ihnen geäußerten Eindrücke gegenübergestellt

1 Zivilgesellschaft Strachwitz (2020), S.5& 13: „Zur (…) Zivilgesellschaft gehören organisierte Bewegungen, Organisationen und Einrichtungen sowie unorganisierte oder spontane kollektive Aktionen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht und ohne Teilhabe an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt im ö ffentlichen Raum agieren und weitere gemeinsame Merkmale aufweisen (…).“, wie zum Beispiel das Ziel der Förderung von Kultur und Sport sowie seit den 1980er Jahren vermehrt gesellschaftlich Mißstände anzuprangern.