Ein Erfahrungsbericht
Observatorium 50 | 08. April 2021 | Marie-Catherine Heeremann stellt das neue Safeguarding-Konzept der Maecenata Stiftung vor, welches zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gegenüber Mitarbeiter*innen dient. Ein Standard, welcher in Institutionen, Unternehmen und Stiftungen vorhanden sein sollte.
Im vergangenen Jahr war die Maecenata Stiftung von einem potentiellen Förderer aufgefordert, als Bedingung für die Förderung ein Safeguarding-Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt vorzulegen. Der Hinweis, dass aufgrund eines vor Jahren im Stiftungsrat gefassten Beschlusses in der Stiftung keine Minderjährigen tätig sind, gleichgültig ob als Praktikanten oder in anderer Funktion, genügte nicht.
In einem Vorgespräch unterstrich der Geldgeber, dass das Safeguarding-Konzept möglichst genau auf die Verhältnisse in der Stiftung zugeschnitten sein sollte. Es sollte zur Stiftung passen, praktikabel und lebensnah sein, von Leitung und Mitarbeitenden getragen und bejaht werden. Damit war auch der Hinweis verbunden, dass die schlichte Übernahme von Konzepten anderer Institutionen nicht als ausreichend betrachtet würde. Sehr bald stellte sich heraus, dass hierzu in der deutschen Stiftungslandschaft keine Erfahrungen zu identifizieren waren, die es erlaubt hätten, ein bereits erprobtes Verfahren als Vorlage zu nutzen. Auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen, dem die Maecenata Stiftung als Mitglied angehört, teilte auf Anfrage mit, dass man noch nie danach gefragt worden sei. Es war daher notwendig, ein eigenes Verfahren zu entwickeln und umzusetzen. Daraus entstand in der Stiftung die Überlegung, die Entwicklung einer Safeguarding-Policy selbst zu einem Projekt zu machen und die Ergebnisse als Erfahrungsbericht zu veröffentlichen. Dies entspricht dem Selbstverständnis der Stiftung als Think Tank = Denkwerkstatt für Zivilgesellschaft, bürgerschaftliches Engagement und Stiftungswesen. Mit dem nachfolgenden Bericht wird dieses Versprechen eingelöst.
Vorgehensweise
Zunächst war es erforderlich, die Situation in der Stiftung zu betrachten und eine Risikoanalyse vorzunehmen. In der Leitungsrunde (bei Maecenata Kleines Consilium genannt) wurde entschieden, dass eine solche Analyse alle 20 haupt- und nebenamtlichen sowie studierenden Mitarbeitenden einbeziehen sollte, unabhängig von ihrem arbeitsrechtlichen Status. Die Gruppe der ehrenamtlichen Mitarbeitenden wurde durch einen Kollegen vertreten, der am längsten mit der Stiftung verbunden und besonders häufig in den Räumen der Stiftung anwesend ist.
Um Risiken erkennen zu können, schien es wichtig, die Analyse anonym durchzuführen. Alle sollten sich frei äußern können, ohne im Ergebnis Rückschlüsse auf einzelne Personen zu ermöglichen. Damit war auch die Entscheidung gefallen, die Risikoanalyse extern zu vergeben.
Risikoanalyse
In einem ersten Schritt suchten wir nach einer empfehlenswerten Adresse. Das Thema der sexualisierten Gewalt als solches war im Bundesverband Deutscher Stiftungen durchaus bekannt. Es besteht diesbezüglich eine Kooperation zwischen dem Bundesverband und der Charité in Berlin. Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftrage der Charité ist auch Ansprechpartnerin für die Mitarbeitenden der Mitgliedsverbände des Bundesverbands. Man nannte uns den Namen einer Expertin, die einiges zum Thema sexualisierte Gewalt veröffentlicht und zur Erarbeitung von Richtlinien für Prävention und Intervention, auch international, wesentlich beigetragen hat. Über diesen Weg bekamen wir Verbindung mit einer Frau, die über mehrjährige Erfahrung in einer Beratungsstelle für Frauen und in der Supervision verfügt. Parallel holten wir ein Angebot eines Beraters ein, der vor allem über Erfahrungen in der Organisation gemeinnütziger Organisationen verfügt. Eine öffentliche Ausschreibung erschien uns nicht angezeigt.
Für den Berater sprach seine Erfahrung mit (kleineren) gemeinnützigen Organisationen und deren Besonderheiten. Für die Beraterin sprach ihre Erfahrung in der Frauenberatung speziell mit Opfern sexualisierter Gewalt, sowie die Annahme, dass sie von dem überwiegend weiblichen Team leicht als Gegenüber für das Thema angenommen würde. Außerdem überzeugte ihr Vorschlag, trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie die persönlichen Gespräche nicht telefonisch, sondern im physischen Zwiegespräch zu führen. Aus ihrer Erfahrung heraus spielen im Gespräch über (erfahrene) Gewalt Körpersprache und Gesichtsausdruck eine bedeutende Rolle. Beide zeigen sich im Telefongespräch nur deutlich eingeschränkt. Der Vorstand der Stiftung entschied sich dafür, den Auftrag an die Beraterin zu vergeben.
Alle Gespräche wurden in der Bibliothek der Stiftung zwischen der externen Expertin und dem/der jeweiligen Mitarbeitenden unter vier Augen geführt. Schließlich mussten drei Interviews doch telefonisch geführt werden, da die reduzierten Anwesenheitszeiten im Büro aufgrund der Corona-Pandemie die Erstellung der Analyse zu sehr in die Länge gezogen hätten.
Aufbau der Analyse
Die Stiftung folgte dem Rat der Expertin, den Gesprächsinhalt über den Komplex der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz hinaus auszuweiten. Für jedes Gespräch waren 50 Minuten angesetzt. Es wurde mit dem Einverständnis der Mitarbeitenden aufgezeichnet. Dabei war zugesagt, dass die Aufzeichnung nach Auswertung gelöscht würde. Die Beraterin stellte anhand eines von ihr entwickelten Fragebogens Fragen zu drei Themenkomplexen:
Welche Reaktion der Leitung würde im konkreten Fall erwartet?
Ergebnisse der Analyse
Nach Auswertung der Fragebögen stellte die Beraterin die Ergebnisse dem Vorstand und der Justiziarin der Stiftung mündlich in einer ausführlichen Präsentation vor. Dabei gab sie zusätzliche Erläuterungen zu der schriftlichen Zusammenfassung, die sie übergab. Diese Zusammenfassung wurde später allen Mitarbeitenden zugesandt.
Berichtet wurde insgesamt von einem Vorfall, der als verbale Übergriffigkeit empfunden wurde. Nach einigem Überlegen und dem Austausch mit Kolleginnen hatte die Betroffene entschieden, denjenigen, der die Äußerung gemacht hatte nicht zur Rede zu stellen und auch nichts weiter zu unternehmen.
Empfehlungen für die Stiftung
Die Analyse hält fest, dass sexualisierte Gewalt eine Form der Machtausübung darstellt. Daraus wird gefolgert, dass der „Aufbau der Hierarchie im Team und die Unternehmenskultur zentral für die Entstehung und Aufarbeitung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz“ ist.
Umsetzung der Ergebnisse
Der Bericht der externen Expertin wurde dem Stiftungsrat vorgelegt und stand auf der Tagesordnung der nächstfolgenden Sitzung dieses obersten Organs der Stiftung. Aufbauend auf dieser Analyse fasste der Stiftungsrat folgende Beschlüsse:
Die Beschlüsse des Stiftungsrates und die Safeguarding-Richtlinie wurden allen Mitarbeitenden zur Kenntnis gebracht.
In freiwilligen Einzelgesprächen mit Kolleginnen und Kollegen ermittelt die Compliance-Beauftragte fortlaufend, welche Ausformung der Safeguarding-Maßnahmen ihnen konkret helfen würde. Zusätzlich zur Benennung der Beauftragten zeichnen sich folgende Wünsche der Beschäftigten ab:
Safeguarding Richtlinie
der Maecenata Stiftung
beschlossen vom Stiftungsrat
am 23. September 2020
Die Maecenata Stiftung orientiert ihre Arbeit an zentralen Begriffen wie
Diese Begriffe, gelten auch intern für den Umgang der Leitung der Stiftung mit den Mitarbeitenden und unter ihnen.
In der Stiftung arbeiten hauptamtliche Mitarbeitende in Voll- und Teilzeit, ehren- und nebenamtliche Mitarbeitende, studentische Hilfskräfte, Praktikantinnen und Praktikanten, Collegiatinnen und Collegiaten sowie assoziierte Forscherinnen und Forscher. Die Stiftung legt Wert darauf, besondere Potenziale und Perspektiven unterschiedlicher Mitarbeitender einzubeziehen. Dazu zählt die Stiftung ausdrücklich vulnerable Erwachsene.
Zur Prävention (von sexueller Belästigung und Gewalt) gibt sich die Stiftung die folgende Richtlinie. Sie gelten wo betreffend auch für Besucherinnen und Besucher der Stiftung, Nutzerinnen und Nutzer der Maecenata Bibliotehk usw.