Zivilgesellschaft in der Schweiz – die omnipräsente Unbekannte

Observatorium 48 | 13.01.2021 | Fast alle Mitglieder von Gemeinderäten in der Schweiz präsidieren gleichzeitig einen oder mehrere Vereine. Und zahlreiche CEOs wirken ehrenamtlich in einem Stiftungsrat. Gleichzeitig sind die Existenz und die Rolle der Zivilgesellschaft in der Schweiz den wenigsten bewusst. Darum überrascht es wenig, dass Politik und Wirtschaft empört reagieren oder gar zu Sanktionen greifen, wenn sich zivilgesellschaftliche Akteure aktiv in gesellschaftspolitische Debatten einbringen.

Die Zivilgesellschaft als Raum kollektiven Handelns zwischen und jenseits von Staat, Wirtschaft und Privatbereich wird in der Schweiz selten öffentlich thematisiert. Sie stellt eine omnipräsente Unbekannte dar. Einerseits überrascht diese Tatsache, weil drei von vier Erwachsenen in der Schweiz Mitglieder in mindestens einer von rund 100.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen sind. Und rund jede zehnte Person bekleidet ein gewähltes Ehrenamt in einem Verein, einer Bewegung oder gemeinnützigen Einrichtung. Andererseits ist das mangelnde Bewusstsein für die Existenz, die Bedeutung und die Rolle der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements gerade in der Schweiz aus mehreren Gründen keine echte Überraschung.

Ein Land von Pragmatikern

Die fehlende öffentliche Wahrnehmung und Debatte über Zivilgesellschaft hat just damit zu tun, dass Frau und Herr Schweizer mit ihrer direkten Demokratie ganz selbstverständlich die oberste Instanz im Staat bilden und gleichzeitig als aktive Player in der Wirtschaft und in der Zivilgesellschaft handeln. Fast alle Mitglieder des Parlaments, Regierungsmitglieder der Kantone sowie Stadt- und Gemeinderätinnen präsidieren Vereine oder Verbände. Und viele Unternehmer und CEOs wirken ehrenamtlich in einem Stiftungsrat oder in einem Kultur-Förderverein. De facto bewegen sich die meisten Bewohner*innen zwischen Bodensee und Genfer See aktiv in der Zivilgesellschaft. Doch dieses pragmatische Tun wird kaum je reflektiert und öffentlich thematisiert. Im Unterschied zu Deutschland kann man in der Schweiz Bücher, Studien, Vorlesungen und Fachartikel über Zivilgesellschaft, Bürgergesellschaft und bürgerschaftliches Engagement fast an einer Hand abzählen. Dass keine öffentliche Auseinandersetzung mit der Rolle von Zivilgesellschaft stattfindet, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass politische Bildung bereits im schulischen Lehrplan ein marginales Dasein fristet.

Das Dilemma der nahen Sektoren

Dass sich die meisten Staatsangestellten, Politikerinnen, Unternehmer und Managerinnen aktiv in Vereinen, gemeinnützigen Institutionen und Stiftungen engagieren, wäre theoretisch ein Gewinn für alle Seiten. Wenn die Betroffenen aber die verschiedenen Hüte, die sie tragen, nicht reflektieren und die unterschiedlichen Handlungslogiken der drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft nicht in ihre Entscheidungen einbeziehen, hat es nicht selten negative Folgen. So präsidiert beispielsweise ein ehemaliger rechtskonservativer Verteidigungsminister ein bedeutsames nationales Hilfswerk für Armutsbetroffene. Aufgrund seiner Parteigesinnung schliesst das Hilfswerk jedoch ausgerechnet die Unterstützung von papierlosen Flüchtlingen aus, was sich nicht erst in der Corona-Pandemie als verheerend erwies. Und vor einigen Jahren wurde die Geschäftsführerin des Schweizer Freilichtmuseums entlassen, weil sie nicht nur das Narrativ vom heilen Heidi-Land bediente, welches die Politiker im Stiftungsrat kultivierten.

Irritierte und irritierende Reaktionen

Weil die Zivilgesellschaft als omnipräsente Unbekannte und ihre Bedeutung für Staat und Bevölkerung kaum öffentlich diskutiert und reflektiert werden, überrascht es wenig, dass Politik und Wirtschaft in der Schweiz jeweils mit Kritik und Widerstand, Drohungen oder gar Sanktionen reagieren, sobald Akteure der Zivilgesellschaft nicht nur ehrenamtlich Sportturniere veranstalten und Sprachkurse für Migrant*innen erteilen, sondern sich themenanwaltschaftlich engagieren und sich aktiv in gesellschaftspolitische Debatten einbringen. In den Augen mancher Politiker sollten Kirchen, Hilfswerke und Vereine primär Geld, Rat, Trost und Heftpflaster verteilen und den Staat von seinen Auf- und Ausgaben entlasten. Dass zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Monitoring- und Wächterfunktion auf Missstände, Ungerechtigkeiten oder strukturelle Gewalt von Staat und Markt hinweisen und sich für Menschen und Gruppen einsetzen, die auf der politischen Bühne keine Stimme haben, ist den Unternehmen vor allem bei ökologischen Themen und dem Staat im Migrationsbereich ein Dorn im Auge. Bund und Kantone haben in den letzten Jahren nicht einmal davor zurückgeschreckt, selbstorganisiertes Engagement der Zivilgesellschaft zu pervertieren und unter die eigene Kontrolle zu stellen. Der Kanton Luzern nahm im Jahr 2015 die Freiwilligen im Migrationsbereich unter die eigenen Fittiche, obwohl das Wirken der Freiwilligen 30 Jahre lang von der Caritas erfolgreich koordiniert worden war. Der zweisprachige Kanton Freiburg folgte diesem Beispiel kurze Zeit später. Am meisten wird zivilgesellschaftliches Engagement in den Bundesasylzentren gefürchtet, weil Freiwillige von Hilfswerken und Basisbewegungen darauf achten, dass Geflüchtete nicht nur wie Verbrecher befragt und kontrolliert, sondern mit einer Willkommenskultur betreut und beschäftigt werden.

Unbekannte Erfolge

Nicht nur das Bewusstsein für die Zivilgesellschaft ist bei Schweizer*innen gering. Auch das historische Bewusstsein erschöpft sich bei manchen in Gründungsmythen, Tell-Sagen sowie dem Narrativ vom Fleiss als Quelle des wirtschaftlichen Erfolgs und von der Wehrhaftigkeit als Grund für das Verschontsein im Zweiten Weltkrieg. Viele Schweizerinnen und Schweizer verdrängen erfolgreich, dass es primär die Zivilgesellschaft war, die bis zur Einführung des Frauenstimmrechts anno 1971 jahrzehntelang für dieses Anliegen kämpfte. Auch dass es vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen waren, die für umweltfreundliche Gesetze kämpften, wird in öffentlichen Debatten gerne vergessen. Zahlreiche Politiker verlangen sogar heute noch Sanktionen gegen Schüler*innen, die während Unterrichtszeiten fürs Klima streiken, statt stolz auf die besorgten Jugendlichen zu sein. Die Ignoranz über die Existenz und die Rolle der Zivilgesellschaft durfte ich vor sieben Jahren am eigenen Leib erfahren, als ich im Auftrag der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft einen Künstlerwettbewerb zur Schaffung eines neuen Nationalhymnentextes initiierte und in der Folge bürgerliche Politiker die Bundesregierung mehrfach aufforderten, dieses Projekt zu stoppen. Obwohl sich die Zivilgesellschaft in der Schweiz lange vor Staat und Wirtschaft für Bildung und Gesundheit, Kultur und Wohlfahrt der Menschen engagierte und obwohl viele NGO und NPO hundert Mal mehr Mitglieder zählen als die Volksparteien, trifft die Bezeichnung «Dritter Sektor» für die Zivilgesellschaft angesichts der realen Machtverteilung in der Schweizer Gesellschaft voll und ganz zu.

Selbstverschuldete Unmündigkeit

Dass die Zivilgesellschaft von Politik und Wirtschaft eher paternalistisch als partnerschaftlich behandelt wird, liegt allerdings auch an den zivilgesellschaftlichen Organisationen selbst. Jahr für Jahr lassen es sich Vereine und ihre Freiwilligen am UNO-Tag der Freiwilligen (5. Dezember) landauf landab gefallen, dass Gemeindepräsidenten sie mit lobenden Worten und Blumensträussen gönnerhaft beschenken. Ich zweifle nicht am guten Glauben und Willen aller Beteiligten, doch das alljährliche Ritual demonstriert und zementiert letztlich doch die unterschiedlichen Flughöhen von Staat und Zivilgesellschaft. Vielleicht sollten lokale Vereine und freiwillig Engagierte in analoger Weise jeweils am Bundesfeiertag ein öffentliches Ranking der lokalen Politiker*innen und Unternehmer*innen bezüglich ihrer Wahrnehmung und Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements durchführen. Auf die Reaktion der Bewerteten wäre ich gespannt.

Bürokratischer Leerlauf statt Gesellschaftswandel

Dass die Zivilgesellschaft öffentlich nicht thematisiert wird und die gesellschaftlichen Verhältnisse der Schweiz nur wenig beeinflusst, liegt zweifellos auch an der fehlenden Kooperation zwischen den rund 100.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen. Etwa 13.000 von ihnen sind Förderstiftungen. Diese geben jährlich über 2 Milliarden Euro Fördergelder aus. Obwohl Stiftungen von jeder geförderten Pfadfindergruppe im Voraus Angaben zum beabsichtigten «social impact» ihres Projekts verlangen, tragen die Stiftungen insgesamt wenig zum gesellschaftlichen Wandel bei. Beispiele wie die Allianz für gesellschaftlichen Zusammenhalt, in der acht deutsche Stiftungen gemeinsam landesweite Projekte initiieren und die Politik im sozialen Bereich und in Bildungsfragen zum Handeln bewegen, fehlen. Dass Stiftungen in der Schweiz eher systemerhaltend wirken, liegt auch daran, dass Stiftungsräte oft mit aktiven Politikerinnen besetzt sind und dass viele Stiftungen den philanthropischen Arm von Grossunternehmen bilden und mit einer entsprechenden Handlungslogik agieren. Auch Hilfswerke und Vereine kooperieren in der Schweiz wenig miteinander; gerade in den Bereichen Fundraising und Marketing konkurrieren sie vielmehr systematisch. Dadurch, dass alle Vereine sowie sozialen und kulturellen Einrichtungen und Hilfswerke Unterstützungsgesuche an zahlreiche Förderorganisationen stellen, statt dass beide Seiten transparent über ihre Ressourcen berichten und eine effiziente Matching-Plattform kreieren, verheizt die Zivilgesellschaft viel Energie im bürokratischen Leerlauf und in Nullsummenspielen.

Hemmende Regulatorien

Gerade weil in der Schweiz das Bewusstsein für Zivilgesellschaft mit rechtsstaatlich garantierten Handlungsräumen gering ist, kommt es leicht zu staatlichen und politischen Behinderungen, Bedrohungen oder gar zu Verboten von zivilgesellschaftlichem Engagement. Medien berichten kaum je über Beschränkungen des zivilgesellschaftlichen Handelns («shrinking civic space»), weil sie wie die Landeskirchen in allen drei Sektoren verortet sind und sich nicht entschieden als Teil der Zivilgesellschaft verstehen. Eine öffentlich kaum wahrgenommene Behinderung des freiwilligen Engagements stellen staatliche Regulatorien dar. Erwerbslose dürfen beispielsweise nur unter bestimmten Auflagen freiwillig tätig sein. Asylsuchenden wird ein freiwilliges Engagement gänzlich verwehrt. Freiwillige benötigen für zahlreiche Engagements immer wieder neu einen Strafregisterauszug, was sich NGO und NPO, in denen mehrere Tausend Freiwillige wirken, nicht leisten können. Zudem beabsichtigen Steuerbehörden in mehreren Kantonen, dass steuerbefreite gemeinnützige Organisationen, die Immobilien erben, neu ihre Mieteinnahmen versteuern müssen, obschon die Gewinne nicht wie bei Unternehmen an Aktionäre verteilt, sondern direkt in die Projekte reinvestiert werden. Dass staatliche Regulatorien zum Nachteil der Zivilgesellschaft zunehmen, hängt zweifellos damit zusammen, dass es weder beim Bund noch in den Kantonen Zuständige gibt, die kontinuierlich mit der Zivilgesellschaft im Kontakt stehen. Für den Austausch mit der Wirtschaft existieren hingegen zahlreiche staatliche Amtsstellen.

Gemeinnützigkeit in Frage stellen

«Shrinking civic space» geschieht in der Schweiz auch dadurch, dass der Staat zivilgesellschaftlichen Organisationen deren Gemeinnützigkeit und Steuerbefreiung aberkennt. Eine Motion im Ständerat (entspricht dem deutschen Bundesrat bzw. der Länderkammer) erteilte am 24.9.2020 der Bundesregierung den Auftrag, die Einhaltung der Anforderungen an die Steuerbefreiung juristischer Personen bei der direkten Bundessteuer wegen Gemeinnützigkeit im Falle von politischer Tätigkeit zu überprüfen. Die Steuerbefreiung sei bei Nichteinhaltung der Anforderungen zu widerrufen. Der FDP-Politiker Ruedi Noser nannte als Beispiele das politische Engagement sowie Abstimmungsparolen von Hilfswerken, Frauen-, Menschenrechts-, Tier- und Umwelt-Organisationen sowie weiterer NGOs und kirchlicher Organisationen. Noser stellte bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich anwaltschaftlich engagieren, ihren gemeinnützigen Einsatz für das Allgemeininteresse in Frage. Wörtlich schrieb er in der Motion: «Ihre Tätigkeit zielt vielmehr darauf ab, ein Thema aus Eigeninteresse ins Gespräch zu bringen. Es ist daher kritisch zu hinterfragen, ob eine solche Tätigkeit gemäss den geltenden Regeln im Allgemeininteresse liegt und für die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit qualifiziert.»

Entwicklungshilfe in die Zange genommen

Dem gleichen Geist entsprang Ende 2020 die Züchtigung der Hilfswerke im Bereich Entwicklungszusammenarbeit durch FDP-Aussenminister Ignazio Cassis, weil sich die Hilfswerke im Vorfeld einer Abstimmung für mehr Verantwortung der im Ausland tätigen Konzerne einsetzten. Cassis untersagte den Hilfswerken, öffentliche Gelder fortan für Informations- und Bildungsarbeit im Inland einzusetzen. Dieses Verbot widerspricht allerdings den Richtlinien des Bundes, der bisher explizit wünschte, dass NGOs die Öffentlichkeit über globale Herausforderungen aufklären. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Cassis die Hilfswerke im Bereich Entwicklungszusammenarbeit bedrängt, indem staatliche Entwicklungsgelder fortan nicht mehr zur Armutsbekämpfung, sondern primär zum Klimaschutz und zur Verhütung von Migration eingesetzt werden sollten. Cassis wollte dadurch vermeiden, dass Hilfswerke durch ihren Einsatz gegen Armut in der südlichen Hemisphäre weiterhin demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen stärkten und so Spannungen mit Regierungen und Konzernen vor Ort erzeugten.

Corona und der politische Primat

Dass Staat und Politik die Zivilgesellschaft nicht als ebenbürtige Partnerin betrachten und ihr nicht auf Augenhöhe begegnen, wurde und wird in der Corona-Pandemie besonders deutlich. In dieser Hinsicht stellt die Schweiz allerdings keinen Sonderfall dar. Die Schweizer Regierung stufte vom 16. März bis zum 6. Juni 2020 die Situation im Land als «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz ein und liess in dieser Zeit die Läden, Restaurants, Bars, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe schliessen sowie die Landesgrenzen kontrollieren. Bürgerschaftliche Rechte wie Versammlungsfreiheit, Gewerbefreiheit und Religionsfreiheit wurden eingeschränkt. Manche Politiker wollten sogar das Demonstrationsrecht ausser Kraft setzen. Die Bundesregierung riss den Primat an sich riss und beanspruchte eine nie dagewesene Macht, was die Medien und Universitäten selbst dann nicht kritisch hinterfragten, als sich das Parlament frühzeitig aus seiner Session zurückzog und Kantonsregierungen keine angepassten Massnahmen ergreifen durften. Mit Wirtschaftsverbänden führte die Regierung regelmässige Gespräche; die Zivilgesellschaft jedoch, die vom Lockdown ebenfalls massiv betroffen war, wurde erst ab Mai 2020 systematisch konsultiert. Gleichzeitig vertraute die Bundesregierung implizit von Anfang an voll und ganz auf das zivilgesellschaftliche Engagement, um die erste Corona-Welle im Lockdown zu bewältigen. Für die zivilgesellschaftlichen Organisationen und für zahllose Freiwillige war vor allem das überholte Altersbild verheerend, auf das sich die Bundesregierung stützte, als sie im März 2020 alle Personen über 65 Jahren undifferenziert zur Corona-Risikogruppe erklärte und ihnen während des Lockdowns ehrenamtliche Einsätze und nachbarschaftliche Hilfeleistungen untersagte. Erst nachdem Altersforscher mehrerer Universitäten sowie die ehemalige Justizministerin und Präsidentin der grössten Organisation für Altersfragen kritisch die Stimme erhoben, sah die Regierung die Fragwürdigkeit ihres Verbots ein.

Relaunch des Contrat social

Die Zivilgesellschaft der Schweiz muss aus ihrem heutigen Zustand als omnipräsente Unbekannte herausfinden. Nicht aus Selbstzweck, sondern damit die Gesamtgesellschaft ihren künftigen Herausforderungen (z.B. der Betreuung älterer Menschen oder der Gestaltung des multikulturellen Zusammenlebens) mit innovativen Lösungen begegnen kann. Letztlich braucht es einen fundamentalen Relaunch des Gesellschaftsvertrags, wie ihn Jean-Jacques Rousseau im Jahr 1762 formuliert hatte. Die Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen, Legitimationen und Ressourcen von Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Privatbereich sollten in einer staatstheoretischen Grundsatzdebatte neu bestimmt, sinnvoll verteilt und ordnungspolitisch neu begründet werden.

Es wäre denkbar und wünschenswert, dass staatliche Behörden, wirtschaftliche Unternehmen (als «corporate citizens») und zivilgesellschaftliche Organisationen miteinander in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesellschaft nach Lösungen suchen, um den Herausforderungen der kommenden 10-20 Jahre gemeinsam zu begegnen. Die Karten der gesellschaftlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten könnten und sollten neu gemischt und unter den gesellschaftlichen Akteuren fair, sinnvoll, solidarisch und nachhaltig verteilt werden. In der Sektoren-verbindenden Kooperation («cross-sectoral co-creation») könnte die Zivilgesellschaft konstruktive Synergien zur Förderung des Gemeinwohls und der sozialen Kohäsion erzeugen und so ihre eigentliche Bedeutung und Rolle in der Gesellschaft erhalten und entfalten. Es bleibt noch viel zu tun.

Lukas Niederberger

Lukas Niederberger (geb. 1964) studierte Philosophie in München und Theologie in Paris. Als Geschäftsleiter der seit 1810 bestehenden Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) fördert er seit 2013 den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das zivilgesellschaftliche Engagement in der Schweiz.
lukas.niederberger@sgg-ssup.ch

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