Die Schirmherrin: Zur Geschichte der Schirmfrau

Opusculum 88 | 01.01.2016 | Gunter Stemmler über das Konzept der Schirmherrin.

Einführung 

Schirmherrschaften werden wahrgenommen als ein Zeichen der Verbundenheit mit einem bürgerschaftlichen Engagement. Kann sich daher die ehrenamtliche Aktivität, die öffentliche Achtung und der gesellschaftspolitische Einfluß von Frauen in ihrer Übernahme einer Schirmherrschaft widerspiegeln?[1] Prominente Personen werden gebeten, eine Schirmherrschaft zu übernehmen. Es wird der symbolische Akt eines öffentlich bekundeten Wohlwollens gewünscht und damit die Partizipation am Renommee, sozusagen ein „Gütesiegel“ erbeten. Da es sich um ein unstrukturiertes Phänomen handelt, bedeutet die Suche nach diesen historischen Wurzeln eine kaum überschaubare Aufgabe, wodurch diese Untersuchung nur das Ziel haben kann, das Terrain zu erkunden. Zur Schirmherrin wurden und werden im wesentlichen Politikerinnen und Damen mit hohem gesellschaftlichen Status gekürt;[2] zumeist handelt es sich um bürgerschaftliche Anlässe, für die um eine Schirmherrschaft ersucht wird. Das Moment traditioneller Wertigkeit ist relativ hoch. Deshalb sind Schirmherrinnen in Monarchien verhältnismäßig häufig aus dem Herrscherhaus[3] und dessen Umgebung zu finden; aber auch in Gesellschaften in Staaten mit republikanischer Verfassung werden überdurchschnittlich häufig weibliche Mitglieder des Hochadels darum gebeten.[4]
Historisch gesehen zeigen sich in den Schirmherrschaften durch Mitglieder von Herrscherhäusern im 19. Jahrhundert gewisse Gegentendenzen zur einer eher absolut gesehenen Monarchie: Denn in den Schirmherrschaften erweist sich, daß eine spezielle Beziehung zum Volk erstrebt wird. Eine Einflußform ist die Auswahl einer Person zum Schirmherrn: es kann dadurch eine eher liberale, Veränderungen aufgeschlossene Person gewählt werden. Zudem können graduell neue Personen oder deren Ämter ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. 

[1] Diese Frage hat sich aus einer Recherche zur Geschichte der Schirmherrschaft ergeben. Weil die Schirmherrschaft ein weit, aber diffus verbreitetes Phänomen ist, wird sich ein Vergleich der Häufigkeit im Verhältnis von Frauen zu Männern nicht ermitteln lassen. Von daher lassen sich auch keine Vergleiche über Umfang, Ausrichtung und Bedeutung der Anlässe ziehen, für welche Frauen zur Schirmherrin wurden.

[2]  Es mangelt an quantitativen Werten zur Häufigkeit wie auch zur Frage der Einbeziehung von Prominentengruppen, zum Beispiel von Sportlerinnen.

[3] Vgl. Zimmer, Schirrmherrschaft, S. 271.

[4] Wann der deutsche Hochadel im Allgemeinen und seine weibliche Mitglieder im Besonderen diese Funktion zu übernehmen begann, für welche Anlässe sie dazu anfangs und dann später bereit waren und wie die Verbreitung verlief, ist offen.