Der Begriff Philanthropie wird landläufig gern als Oberbegriff für das Stiften und Spenden benutzt. Das ist nicht ganz falsch, aber verengt die Bedeutung doch erheblich. Mit Philanthropie wird zunächst sehr allgemein eine positive Einstellung gegenüber anderen Menschen bezeichnet, so der aus dem griechischen φιλανθρωπία (philanthrōpía) hergeleitete Begriff, der sich aus philos (Freund) und anthropos (Mensch) herleitet. Er taucht in griechischen Tragödien des 5. Jahrhunderts v. Chr. und im 4. Jahrhundert in Platons Dialog Eutyphron auf, in denen der Autor Sokrates sich selbst als Philanthropen bezeichnen läßt, weil er seine Zuhörer verschwenderisch und kostenfrei an seiner Weisheit teilhaben lasse. Philon von Alexandria, jüdischer Philosoph des 1. Jahrhunderts n. Chr., verstand unter Philanthropie die Fürsorge für alle Menschen, aber auch für jeden einzelnen und für alle Lebewesen. Einen markanten Ausdruck findet Philanthropie im christlichen Gebot, den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Kirchliche Deutungen, die dieses Gebot wegen seiner Verknüpfung mit dem Gebot der Gottesliebe von einer säkularen Philanthropie-Vorstellung abgrenzen wollen, erscheinen insofern abwegig. Der Begriff taucht auch mehrfach in den Paulus-Briefen des Neuen Testaments auf. Andere Religionsgemeinschaften, insbesondere das Judentum und der Islam, haben ähnliche Konzepte der positiven zwischenmenschlichen Interaktion. Kaiser Justinian hob im 6. Jahrhundert n. Chr. in seiner Gesetzgebung, die u.a. für das christliche und das muslimische Stiftungswesen herausragende Bedeutung hat, die Bedeutung der Menschenfreundlichkeit hervor. In seinen Novellen, einem Teil des Corpus iuris civilis, betont er, er sei ein philanthropischer Herrscher und seine Gesetze seien in umfassendem Sinn menschenfreundlich. Philanthropie und Gerechtigkeit seien die höchsten menschlichen Güter.
Im 18. Jahrhundert entstand Philanthropismus als Lehre von der Erziehung zur Natürlichkeit, Vernunft und Menschenfreundschaft (Philanthropie). Im Geist des Philan-thropismus entstand 1774 in Dessau das erste Philanthropin als reformpädagogische Schule; zahlreiche weitere folgten. Erst im 19. Jahrhundert bildete sich, vor allem in den USA, der Begriff philanthropy als Bezeichnung für die Gründung von gemeinwohlorientierten Stiftungen, deren Ausstattung mit Vermögenswerten und in der Folge deren Tätigkeit heraus. Ein philanthropist ist nach amerikanischem Verständnis ein großer und häufiger Spender, vor allem aber ein Stifter. Auch die Stiftung wird dann als philanthropic institution bezeichnet, das gemeinwohlorientierte Handeln in größerem Stil als philanthropy. Diese Definition hat einerseits zu der irrigen Annahme geführt, Philanthropie sei eine Art Kunstwort, eine Erfindung der Neuzeit, andererseits zu der etwas schiefen Charakterisierung von Stiftungshandeln als Philanthropie. Streng genommen ist es das gerade nicht, denn diesem mangelt es an der für die Philanthropie wesentlichen Freiwilligkeit. Stifter und Stifterin handeln freiwillig; die Stiftung als Institution hingegen ist verpflichtet, dem Stifterwillen zu folgen und die Stiftungszwecke bestmoglich zu verwirklichen.
Demgemäß hat Philanthropie viel mit einem Geschenk an die Allgemeinheit zu tun, das freiwillig und ohne Erwartung einer konkreten Gegenleistung angeboten wird. Zwar kann mit einem Geschenk durchaus die allgemeine Erwartung verbunden sein, von der Allgemeinheit ebenfalls ein Geschenk zu erhalten, beispielsweise Hilfe, wenn man selbst in Not gerät, doch kann diese eben nicht im voraus konkret festgelegt oder gar vereinbart werden. Ob, wann, wie und von wem sie möglicherweise angeboten wird, bleibt idealtypisch offen. Dies heißt allerdings nicht, daß eigennützige Motive des Schenkens jedes Geschenk von vornherein entwerten. In jedem philanthropischen Akt steckt ein schwer abzuschichtendes Motivbündel, das von der Erwartung des ewigen Seelenheils über die Gewinnung von Ansehen in der Gesellschaft, die Gestaltung eines sinnerfüllten Lebens, den Willen zur Mitgestaltung der res publica oder die Vermeidung von Abgaben an den Staat bis zu einem aus der Beobachtung von Not erwachsenden altruistischen Mitgefühl reichen kann. Den Wert eines solchen Geschenks nur an dem Grad eines vermuteten Altruismus zu messen, wäre realitäts- und weltfremd, würde überdies der Heuchelei und Verlogenheit Vorschub leisten und den Wert aktiver Partizipation an den öffentlichen Angelegenheiten unterschlagen. Über großherzige Philanthropie beispielsweise zu Ansehen zu gelangen, kann demgegenüber durchaus legitim erscheinen – und allemal besser, als dies über Korruption oder das Einflößen von Angst zu versuchen. Daß eine Güterabwägung zwischen dieser Partizipation, wenn sie mit Macht und Einfluß verbunden ist, und der demokratischen Kontrolle durch gewählte Repräsentanten aller Bürger und Bürgerinnen stattfinden muß, bleibt hiervon unberührt.
Philanthropisches Handeln manifestiert sich auf unterschiedliche Weise. An erster Stelle steht das Schenken von Empathie als Konkretisierung der grundsätzlichen positiven Einstellung gegenüber anderen Menschen. Empathie ist nicht meßbar und entzieht sich weitgehend der Beurteilung durch Dritte. Dennoch bildet sie den Wesenskern der Philanthropie, ohne den die anderen Ausdrucksformen, das Schenken von Ideen und Wissen, von Reputation und Kontakten und ganz besonders auch die am ehesten meßbaren Formen sich nicht entfalten können. Die meßbaren Formen sind das Schenken von Zeit (umgangssprachlich oft etwas mißverständlich als Ehrenamt oder ehrenamtliche Tätigkeit, besser als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet) und das Schenken von Vermögenswerten, sei dies als direkte Gabe an jemand Bedürftigen, als Geld- oder Sachspende oder als Stiftung oder Zustiftung.
Partner der Philanthropen sind neben einzelnen Menschen, denen gegenüber man zu nichts verpflichtet ist, aber vielleicht eben doch eine Verpflichtung verspürt, im Wesentlichen die Bewegungen, Organisationen und Institutionen der Zivilgesellschaft, von denen ein nicht geringer Teil auf philanthropisches Handeln zwingend angewiesen ist. Das unterscheidet diese prinzipiell von der durch Tausch gekennzeichneten Arena des Marktes ebenso wie von der des Staates, die von der Regelung durch Gesetze und der Ausübung von Gewalt zu deren Durchsetzung sowie der Finanzierung über Steuern bestimmt wird. In einer Gesellschaft, die vom gegenseitigem Respekt und der Achtung vor der unverwechselbaren Individualität jedes Menschen, aber auch von der unabdingbaren Orientierung jedes Individuums auf die ihn umgebende Gemeinschaft getragen ist, kann philanthropisches Handeln vielerlei Formen annehmen und ist keinesfalls am jeweiligen Volumen oder der Form der Konkretisierung zu messen. Vielmehr manifestiert sich in der aktiven Philanthropie die Grundhaltung einer gemeinsamen Verantwortung für alle Menschen ebenso wie für eine partizipative Gesellschaft, an deren Entwicklung alle Mitglieder aufgerufen sind, nach besten Kräften mitzuwirken.