Bericht zum Symposium: Zeitenwende — auch im Nahen Osten?

08.08.2023 I Armin Triebel berichtet über das Symposium anlässlich Udo Steinbach’s 80. Geburtstag am 14. Juni

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Zeitenwende — auch im Nahen Osten?

Symposium aus Anlass des 80. Geburtstags von
Udo Steinbach

14. Juni 2023
Berlin, im Gemeindehaus der Evangelischen Kirche Nikolassee

Bericht von Armin Triebel

Am 30. Mai 2023 vollendete Prof. Dr. Udo Steinbach sein 80. Lebensjahr. Freunde und Kollegen drängten ihn, diesen Tag nicht nur im Kreis der Familie zu begehen, sondern dieses Datum angesichts der Bedeutung, die er nun einmal durch sein wissenschaftliches Werk und sein öffentliches Auftreten für den politischen und interkulturellen Dialog zwischen Europa und dem Orient gewonnen habe, zum Anlass für ein wissenschaftliches Gespräch im Kreis ausgewählter Gäste werden zu lassen.

Dieses Symposium fand am Nachmittag des 14. Juni in Berlin in den Räumen der Kirchengemeinde, deren Mitglied Prof. Steinbach ist, statt. Es dauerte vier Stunden, wurde durch eine musikalische Darbietung beschlossen und klang im Lauf des frühen Abends bei Wein und einem reichhaltigen Buffet in allseitigem Gespräch auf der Terrasse des Gemeindehauses aus.

Die Moderation des Symposiums übernahm Botschafter a.D. Bernd Mützelburg, der in der Abschlussdiskussion souverän die zahlreichen Wortmeldungen sortierte und sich eigener Stellungnahmen zur jeweiligen Thematik durchaus nicht enthielt.

Er nannte Prof. Steinbach eine Art „Dean der deutschen Islamexperten“. Wir erwarten, sagte er lächelnd, „dass Du dieses Lebenswerk fortsetzst. Gemeinsam bemühen wir uns, die Beziehungen zwischen Deutschland und den arabischen Staaten weiter zu verbessern.“ Mützelburg begrüßte Steffen Reiche als den Mitgründer der Ost-SPD und Minister in zwei Kabinetten Stolpe und zitierte von ihm den Leitsatz: „tief träumen und hellwach sein“.

Begrüßung und Grußworte

Zur Begrüßung führte der Hausherr Steffen Reiche, Pfarrer in der Gemeinde Berlin–Nikolassee, in die Geographie und die Geschichte des Ortes ein. Die nahegelegene „Rehwiese“ ist stadtbekannt, eine knapp 1½ Kilometer lange, immer noch etwas sumpfige Bodensenke im Zuge des Berliner Urstromtales. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Villenkolonie Nikolassee mit Kirche, Friedhof und Gemeindehaus gegründet. Die Villenkolonie ist geprägt von der Landhausbewegung der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, und Pfarrer Reiche erwähnte namentlich Hermann Muthesius, der zahlreiche Häuser in Nikolassee erbaut hat. Der Saal im
Gemeindehaus, wo man nun versammelt war, trägt den Namen von Jochen-Klepper, dem Sohn des evangelischen Pfarrers Georg Klepper. Jochen-Klepper ist aus den 1920er und 30er Jahren als Journalist, Hörfunkautor und Schriftsteller bekannt. Als religiöser Sozialist und SPD-Parteimitglied, verheiratet mit einer Jüdin, geriet er nach 1933 zunehmend unter Druck, und er und seine Frau und Tochter nahmen sich in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 das Leben. Seine letzte Berliner Wohnung war in Nikolassee, Teutonenstraße 23.

An Steinbach gewandt, hob Reiche, der sich thematisch für den christlich-muslimischen Dialog und regional bis in den Kaukasus hinein engagiert hat, hervor: „Dich beschäftigt der Raum, der uns beide interessiert.“

Danach sprach Aydan Özoğuz, Staatsministerin für Migration im Kabinett Merkel III und seit 2021 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, ein herzliches Grußwort für Prof. Steinbach und erinnerte daran, dass sie sich bereits in seiner Hamburger Zeit kennengelernt hatten. Es gebe, sagte sie, kaum einen zweiten Experten und Autor in Deutschland, der uns mit seinen scharfen Analysen und als Autor mit seinen Texten über Zusammenhänge im Nahen Osten aufgeklärt habe. Das Talent, sein Wissen und seine Erfahrung weiterzuvermitteln, sei insbesondere den Studierenden zugute gekommen. Neben didaktischem Talent hob sie Mut und Kritikfähigkeit in der Wissenschaft hervor. Steinbach habe sich nie gescheut, Ansichten und Einschätzungen auszusprechen, die auf Kritik stoßen mussten. Das, so drückte sie damit aus, gehöre zur Wissenschaft. Udo Steinbach habe die Freiheit der Wissenschaft stets sehr ernst genommen. Und „Mut“, sagte sie, „— das ist es, was Wissenschaft braucht.“ Man habe von ihm lernen könne, dass Konflikte in der Staatenwelt nie nur eindimensional, sondern stets Ergebnis komplexer Konstellationen widerstreitender Interessen zahlreicher beteiligter Akteure sind.

Mit dieser Feststellung kam Özoğuz auf einige Fragen der aktuellen Politik, was an dieser Stelle, wo bei den Vorreden der festliche Charakter der Stunde überwog, nicht selbstverständlich war. So sprach sie von dem „Rechtsruck“ der israelischen Regierung und fand es „problematisch“, dass …weiterlesen

Foto: Marianne Sievers