MAECENATA INFO – September 2020 – Ausgabe 1/2020
MAECENATA INFO 1/2020 | 010.09.2020 | Unser neues Kommunikationsformat informiert Sie über die neuesten Projekte, Veranstaltungen und Publikationen der Stiftung, sowie über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Zivilgesellschaft im Allgemeinen.
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
Mit dieser Veröffentlichung stellen wir Ihnen ein neues Kommunikationsformat der Maecenata Stiftung vor: Die bisherigen Newsletter Zivilgesellschaft Info und Maecenata Notizen werden unter dem Titel MAECENATA INFO zu einem neuen Online-Informationsmedium zusammengefaßt. MAECENATA INFO wird Informationen zur Zivilgesellschaft im Allgemeinen, zur Arbeit der Maecenata Stiftung, zu Terminen und Publikationen der Stiftung sowie Rezensionen und Ankündigungen einschlägiger aktueller Veröffentlichungen enthalten.
MAECENATA INFO kommt an einem besonderen Moment:
- Wir beobachten täglich in Belarus oder Hongkong, wie Akteure der Zivilgesellschaft sich in großer Zahl gegen ein Regime auflehnen – mit Empathie beobachtet in der westlichen Welt und von fast allen westlichen Regierungen mit der Androhung von politischen und wirtschaftlichen Sanktionen flankiert.
- Wir erfahren aktuell, wie das deutsche Verkehrsministerium die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure im Seenotrettungsdienst durch administrative Maßnahmen nach Kräften zu behindern sucht.
- Fassungslos wurden wir vor wenigen Tagen Zeugen einer Unterwanderung zivilgesellschaftlicher Akteure durch Kräfte, die zwar im formalen Sinn der Zivilgesellschaft zuzurechnen sind, die sich aber von der Zivilgesellschaft, die wir schätzen gelernt haben, so fundamental unterscheiden, daß wir keinerlei inhaltliche Gemeinsamkeiten ausmachen können.
- Wir spüren immer noch das Widerwillen mancher Teile des politischen Systems, der Zivilgesellschaft die im Grundgesetz eröffnete Teilhabe an der politischen Deliberation tatsächlich einzuräumen.
- Wir sehen immer wieder, wie sehr der deutsche Wohlfahrts- und Gewährleistungsstaat auf die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure angewiesen ist. Die Betreuung von Flüchtlingen und Migranten ist dafür nur eines unter vielen, vielen Beispielen.
- Eine soeben veröffentlichte Studie sagt uns, daß in den vielen Gesprächsrunden im Fernsehen 67% der Studiogäste aus Politik und Medien, aber nur 2,7% aus der Zivilgesellschaft kommen.
- Wir erkennen, welche Herkulesaufgabe auf die Zivilgesellschaft zukommt, wenn es „nach Corona“ darum geht, schwer beschädigte Gemeinschaften wieder in Gang zu bringen, um unsere Gesellschaft zu stabilisieren.
- Mit Sorge beobachten wir, daß in Einzelfällen die Zivilgesellschaft für Geldwäsche und Steuerhinterziehung oder zur Finanzierung von Terrorismus mißbraucht wird, daß aber sehr viel häufiger Terrorismusbekämpfung und der Kampf gegen Geldwäsche als Vorwand für Beschränkungen zivilgesellschaftlichen Handelns mißbraucht werden.
- Wir wissen, wie sehr die Wächterfunktion der Zivilgesellschaft gefragt ist, um ihre Stimme zu erheben, wenn notwendige Beschränkungen von Grundrechten nicht rechtzeitig rückgängig gemacht werden oder die Pandemie-Krise als Ausrede benutzt wird, um Übergriffigkeit zu legitimieren.
- Zivilgesellschaft und Zivilgesellschaftsforschung stehen immer wieder vor dem Problem, daß sie der Mitwelt nur schwer erklären können, was Zivilgesellschaft ist, was sie kann und wo ihre Grenzen liegen. Wir haben es bisher nicht geschafft, eine brauchbare Arbeitsdefinition in der Öffentlichkeit zu verankern.
- Politik, Verwaltung, Medien, Wissenschaft und insbesondere auch die Gerichte wissen viel zu wenig, was eine moderne Zivilgesellschaft ist und gründen Aussagen, Vorschläge, Entscheidungen und politische Prozesse allzuoft auf ein einseitiges, unvollständiges, veraltetes oder verzerrtes Bild von Zivilgesellschaft.
- Die Zivilgesellschaft ist nicht genügend transparent. Sie ist der Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger verantwortlich und muß dies besser als bisher kommunizieren.
- Die traditionellen Verbände der Zivilgesellschaft sind nicht so aufgestellt, daß sie für die ganze Zivilgesellschaft kämpfen können und nicht selten sehr mit dem Staat und der Wirtschaft verzahnt. Viel zu wenig sind sie auf eine konstruktive Zusammenarbeit, Solidarität und ein offensives Eintreten für den bürgerschaftlichen Raum ausgerichtet.
- In der Corona-Krise war die Hilfe des Staates für die Zivilgesellschaft um Faktoren bescheidener als die für die Wirtschaft, sie war zersplittert und für viele Akteure schlecht oder gar nicht zugänglich.
- Die wenigen Organisationen, die sich auf einer Meta-Ebene mit diesem Themenfeld auseinandersetzen, sind klein und unbeschadet großen Engagements nicht in der Lage, so energisch an diesem Thema zu arbeiten, wie dies notwendig wäre.
Diese Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Wir schließen daraus, daß wir gemeinsam mit engagierten Kolleginnen und Kollegen in anderen Organisationen weiter forschen, weiter kämpfen und Sie weiter informieren wollen und müssen.
Viel Spaß bei der Lektüre von MAECENATA INFO!
Mit den besten Grüßen
Ruper Graf Strachwitz