Stellungnahme – Parteien gegen Zivilgesellschaft

Berlin | 04.12.2020 | Keine Klarstellung zur politischen Betätigung von gemeinnützigen Organisationen im Jahressteuergesetz

Eigentlich bräuchten wir doch in der Krise, die uns nicht nur, aber auch Corona beschert hat, jede gute Idee, jeden Anstoß, jede helfende Hand. Aber unsere Parteien sehen das anders. Sie wollen weiter so tun, als ob sie allein wüßten, was gut für die Bürgerinnen und Bürger ist – oder, wie sie es gern ausdrücken, für die Bevölkerung, die breite Masse, draußen.

Das Steuerrecht für gemeinnützige Organisationen sollte reformiert werden, so steht es im Koalitionsvertrag für die Bundesregierung, schon zum sechsten Mal. Geschehen ist lange nichts. Nur die Finanzverwaltung ist dagegen eingeschritten, daß sich gemeinnützige Organisationen auch politisch betätigen – und Gerichte haben das gestützt. Kleine Reste von großen Reformideen wanderten schließlich in das Jahressteuergesetz, vermengt mit vielen anderen Dingen. Und nun haben die Parteien es geschafft, den Kernpunkt, die Feststellung der Zulässigkeit politischen Handelns, wieder zu streichen – die CDU/CSU vorneweg, der diese unbotmäßigen, aufmüpfigen Bewegungen und Organisationen schon immer ein Dorn im Auge sind.

Das ist weltfremd und darüber hinaus zynisch. Sonntagsreden über brave „Ehrenamtliche“ und Strafen gegen andere Länder sind fehl am Platz, wenn im eigenen Land die, die nicht „brav“ sind, behindert und bedrängt werden. Auch bei uns schrumpft der bürgerschaftliche Handlungsraum immer weiter, weil unsere Parteien das so wollen. Da helfen auch ein paar nette Bonbons nicht, die den Eindruck erwecken sollen, man ginge mit der Zeit. Unser Gemeinnützigkeitsrecht ist ein Relikt des Obrigkeitsstaats, es atmet den Geist des 19. Jahrhunderts, und das soll nach dem Willen der Berufspolitiker auch so bleiben.

Es gibt ein Problem dabei: Jeden Tag können wir erleben, wie der Frust zunimmt. So sehr wir leider im Moment Shutdowns und Lockdowns brauchen, so sehr brauchen wir bald all die, die uns helfen, Gemeinschaften auf- und Zorn und Frust abzubauen, Bürgerrechte wiederherzustellen, neue Ideen für Zusammenhalt und Zusammenleben zu entwickeln – durch konkrete Angebote, aber auch dadurch, daß Finger in Wunden gelegt werden. Und wenn die Politik sie alle durch Nichtbeachtung, Nichtachtung und Mißachtung vor den Kopf stößt, dann steht sie dieser Aufgabe genauso hilflos und ideenlos gegenüber, wie sie im Februar mangels Vorsorge der Pandemie gegenübergestanden hat und wie sie seit Jahren den Veränderungen in unserer Gesellschaft gegenübersteht. Wann verabschiedet sich dieser Staat endlich von Ansprüchen und Privilegien und lernt, was partizipatives Regieren heißt? Wann ziehen sich die Parteien endlich zurück und machen denen Platz, denen es nicht um Macht, sondern um Ziele geht.

Weitere aktuelle Informationen zum Jahressteuergesetz:

diefenbach-trommer@zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de

Kontakt: Dr. Rupert Graf Strachwitz, rs@maecenata.eu, T 0173 5778676

Rupert Strachwitz

Dr. phil. Rupert Graf Strachwitz

Vorstand der Maecenata Stiftung
rs@maecenata.eu

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